Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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geizigerer und Geschickterer wird ihn in gleicher Weise bestrafen, wird in seine 
Staaten einfallen und ihm mit derselben Grausamkeit den Untergang bereiten, die 
er gegen seinen Vorgänger ausübte. 
Der zweite Grundsatz Machiavellis ist, daß der Eroberer seine Residenz in 
seinen neuen Staaten aufschlagen muß. Das ist nicht grausam und scheint sogar 
in gewisser Hinsicht gut zu sein; aber es ist zu bedenken, daß die meisten Staaten 
großer Fürsten so gelegen sind, daß sie eines Mittelpunktes nicht wohl entbehren 
können, ohne welchen der ganze Staat leidet; sie sind der vornehmste Quell der 
Lebenstätigkeit dieses Körpers, demnach können sie den Mittelpunkt nicht verlassen, 
wenn die Glieder nicht dahinsiechen sollen. 
Der dritte politische Grundsatz lautet, daß es erforderlich ist, in den neuen 
Gelieten Kolonien anzusiedeln, um der Gefahr des Abfalls vorzubeugen. Der Ver- 
fasser stützt sich hierbei auf den Brauch der Römer; aber er bedenkt nicht, daß, 
wenn die Römer nicht gleichzeitig Legionen in die eroberten Gebiete geschickt 
hätten, sie ihre Eroberungen sehr bald würden verloren haben; er bedenkt ferner 
nicht, daß neben den Kolonien und Legionen die Römer auch Bundesgenossen zu 
gewinnen wußten. Die Römer waren in der glücklichen Zeit der Republik die 
klügsten Räuber, die je die Erde verheert haben; mit Klugheit behaupteten sie, 
was sie durch Ungerechtigkeit erworben hatten. Aber zuletzt geschah diesem Volke, 
was jedem Thronräuber geschieht: es kam auch an die Reihe und wurde zu 
Boden geworfen 
„Ein Fürst muß die kleinen benachbarten Fürsten an sich fesseln und unter 
seinen Schutz nehmen und Zwietracht unter sie säen, damit er erheben oder unter- 
drücken kann, welchen er will.“ Das ist der vierte Grundsatz Machiavellis; es ist 
derselbe, den Chlodwig befolgte, der erste Barbarenkönig, der sich zum Christen- 
tume bekehrte. Er ist von einigen nicht minder grausamen Fürsten nachgeahmt 
worden; aber welcher Unterschied zwischen diesen Fürsten und einem ehrlichen 
Manne, der der Vermittler zwischen diesen kleinen Fürsten sein, ihre Streitig- 
keiten in Güte schlichten, durch seine Rechtschaffenheit, durch die Beweise einer 
vollständigen Unparteilichkeit bei ihren Händeln und gänzlicher Uneigennützigkeit 
ihr Vertrauen gewinnen würde! Seine Klugheit würde ihn zum Vater anstatt 
zum Unterdrücker seiner Nachbarn machen, und seine Größe würde sie beschützen, 
anstatt sie zu verderben. 
Überdies ist es Tatsache, daß Fürsten, die andere Fürsten mit Gewalt erheben 
wollten, sich selbst zugrunde gerichtet haben. Unser Jahrhundert bietet zwei Bei- 
spiele dafür: das eine ist das Karls XII., der Stanislaus auf den polnischen Thron 
erhob, und das andere ist neuer. 
Aus dem bisherigen ergibt sich also, daß der Thronräuber niemals Anspruch 
auf Ruhm haben wird; daß Meuchelmörder vom menschlichen Geschlecht stets 
werden verabscheut werden; daß Fürsten, die Ungerechtigkeiten und Gewalttaten 
gegen ihre neuen Untertanen begehen, sie sich entfremden werden, anstatt sie zu 
gewinnen; daß es nicht möglich ist, das Verbrechen zu rechtfertigen, und daß alle 
die, die es werden verteidigen wollen, ebenso unvernünftig urteilen werden als 
Machiavelli. Das Denkvermögen gegen die Wohlfahrt der Menschheit anwenden, 
heißt, sich mit einem Degen verwunden, der uns nur zur Verteidigung gegeben 
ist 
Es gibt zwei Arten von Fürsten in der Welt: solche, die alles mit ihren 
eigenen Augen sehen und ihre Staaten selbst regieren; und solche, die sich auf
	        
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