Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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kommen. Wirst doch lieber wollen unseres Königs Diener sein als seines Leut- 
nants?“ Damit ging er weg. — „Um Gottes willen, Herr Zittemann,“ fuhr 
ich fort, „was soll das werden?“" „Nichts, als daß er, wie ich und die 
anderen da, Soldat ist, und wir also Brüder sind, und daß ihm alles Wider- 
setzen nichts hilft, als daß man ihn auf Wasser und Brot nach der Hauptwache 
führt, kreuzweis schließt und ihn suchtelt, daß ihm die Rippen krachen, bis er 
zufrieden ist.“ 
Nachmittags brachte mir der Feldwebel mein Kommißbrot nebst Unter= und 
Übergewehr . . Dann führte man mich in die Montierungskammer und paßte mir 
Hosen, Schuhe und Stiefeletten an, gab mir einen Hut, Halsbinde, Strümpfe uff. 
Dann mußte ich mit noch etwa zwanzig Rekruten zum Herrn Oberst Latorf. Man 
führte uns in ein Gemach, so groß wie eine Kirche, brachte etliche zerlöcherte 
Fahnen herbei und befahl jedem, einen Zipfel anzufassen. Ein Adjutant las uns 
eine Menge Kriegsartikel her und sprach uns einige Worte vor, welche die meisten 
nachmurmelten; ich regte den Mund nicht, dachte, an was ich wollte. Er schwang 
dann die Fahne über unsere Köpfe und entließ uns. 
Hierauf ging ich in eine Garküche und ließ mir ein Mittagsessen nebst einem 
Kruge Bier geben. Dafür mußte ich zwei Groschen zahlen. Nun blieben mir von 
jenen sechs Groschen noch vier übrig; mit diesen sollte ich noch auf vier Tage 
wirtschaften, und sie reichten doch bloß für zwei hin. Bei dieser Uberrechnung 
fing ich an, gegen meine Kameraden schrecklich zu llagen. Allein Cran, einer der- 
selben, sagte mir mit Lachen: „Du wirst's schon lernen. Jetzt tut's nichts; bast 
ja noch allerlei zu verkaufen, zum Exempel deine ganze Dienermontur. Und dann 
der Kost wegen, nur fein aufmerksam zugesehen, wie's die anderen machen. Da 
fangen drei, vier oder fünf miteinander an, kaufen Dinkel, Erbsen, Erdbirnen 
u. dgl. und kochen selbst. Des Morgens für einen Dreier Jusel und ein Stück 
Kommißbrot; mittags holen sie in der Garküche für einen anderen Dreier Suppe 
und nehmen wieder ein Stück Kommiß, des Abends für zwei Pfennige Kovent 
oder Dünnbier und abermals Kommiß.“ „UAber das ist ein entsetzlich Leben,“ 
sprach ich; und er: „Ja, so kommt man aus und anders nicht. Ein Soldat muß 
das lernen, denn er braucht noch viel anderes: Kreide, Puder, Schuhware, Ol, 
Schmirgel, Seife, und was der hundert Siebensachen mehr sind.“ Ich: „Und das 
muß einer alles aus den sechs Groschen bezahlen?“ Er: „Ja, und noch viel mehr, 
wie z. B. den Lohn für die Wäsche, für das Gewehrputzen und so fort, wenn er 
solche Dinge nicht selber kann.“ Damit gingen wir in unser Quartier, und ich 
machte alles, so gut ich konnte und mochte. 
Die erste Woche indessen hatte ich noch frei. Ich ging in der Stadt herum 
auf alle Exerzierplätze, sah, wie die Offiziere ihre Soldaten musterten und 
prügelten, daß mir schon zum roraus der Angstschweiß von der Stirne troff. 
Ich bat daher Zittemann, mir daheim die Handgriffe zu zeigen. „Die wirst du 
wohl lernen," sagte er, „aber auf die Geschwindigkeit kommt's an. Das geht wie 
der Blitz!“ Indessen war er so gut, mir wirklich alles zu zeigen, wie ich das Ge- 
wehr rein halten, die Montur anpressen, mich auf Soldatenmanier frisieren sollte 
und so fort. Nach Crans Rate verkaufte ich meine Stiefel und kaufte dafür ein 
hölzernes Kästchen für meine Wäsche. Im QOuartier übte ich mich stets im Exer- 
zieren, las im hallischen Gesangbuche oder betete. Dann spazierte ich etwa an die 
Spree und sah da hundert Soldatenhände sich mit Aus= und Einladen der Kauf-
	        
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