Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

An den Marquis d'Argens. 
Breslau, 22. Dezember 1758. 
Jch bin dies Leben sehr müde, der ewige Jude ist weniger hin= und 
hergezogen als ich; ich habe alles verloren, was ich auf dieser Welt geliebt und 
geehrt haben), ich sehe mich umgeben von Unglücklichen, deren Leiden ich nicht 
abhelfen kann. Meine Seele ist noch gefüllt mit den Eindrücken der Ruinen aus 
meinen besten Provinzen und dem Schrecken, den eine Horde mehr von unver- 
nünftigen Tieren als von Menschen dort verübt hat. Auf meine alten Tage bin 
ich fast bis zu einem Theaterkönig herabgekommen; Sie werden mir zugeben, 
daß eine solche Lage nicht so reizvoll ist, um die Seele eines Philosophen an das 
Leben zu fesseln .. ... 
6. 
An den Minister von Finkenstein. 
Breslau, 22. Dezember 1758. 
Ich schicke Ihnen hier die Memoiren über den Feldzug von 1758, habe aber 
nicht Zeit gehabt, sie gut zu redigieren. Ich habe mich vor allen Dingen be- 
müht, die Ursachen der Ereignisse und die Gründe meines Verhaltens dar- 
zustellen. 
Es scheint unglücklicherweise, daß wir noch nicht am Ende unserer Arbeiten 
sind. Wir haben zu viele Feinde, als daß wir über sie eine Ülberlegenheit ge- 
winnen könnten, die sie zum Frieden zwingt. Ganz Europa stürzt sich auf 
uns, es scheint Mode zu sein, unser Feind zu sein, und ein Ehrentitel, 
zu unserem Verderben beizutragen 
7. 
An den Minister von Finkenstein. 
Nach der Schlacht bei Kunersdorf, 12. August 1759. 
Ich habe heute morgen um 11 Uhr den Feind angegriffen. Wir haben ihn 
bis an den Judenkirchhof zurückgedrängt, nahe bei Frankfurt. Alle meine Truppen 
waren im Feuer und taten Wunder; aber dieser Kirchhof hat uns eine Menge 
Menschen gekostet. Unsere Leute gerieten in Verwirrung; ich habe sie dreimal 
wieder gesammelt; zuletzt dachte ich, selber gefangen genommen zu werden, und 
ich mußte das Schlachtfeld räumen. Mein Anzug ist durchlöchert von Schüssen, 
zwei Pferde sind unter mir getötet. Mein Unglück ist, noch zu leben. Unser Ver- 
lust ist sehr beträchtlich. Von einer Armee von achtundvierzigtausend Mann habe 
ich augenblicklich nur noch dreitausend Mann. Alles flieht, und ich bin nicht mehr 
Herr meiner Leute. Man wird gut tun, in Berlin auf seine Sicherheit zu denken. 
Dies ist eine furchtbare Niederlage, ich werde sie nicht überleben. Die Folgen 
der Schlacht werden schlimmer sein als die Schlacht selbst; ich habe keine Hilfs- 
quellen mehr, und, wahr zu sprechen, ich halte alles verloren. Ich werde das 
Verderben meines Vaterlandes nicht überleben. Leben Sie wohl auf ewig. 
1) Am Tage der Niederlage von Hochkirch war auch des Königs Lieblingsschwester 
Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth, gestorben. 9 goschwel
	        
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