Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

— 115 — 
16. 
An den Marquis d'Argens. 
Schloß Dahlent) in Sachsen, 25. Februar 1763. 
Ihr Brief, lieber Marquis, hat mich über Ihre Gesundheit völlig beruhigt. 
Nachdem wir uns getrennt hatten, ging ich nach Meißen. Briefe aus Wien 
melden, daß die Friedenspräliminarien dort allgemeine Freude hervorgerufen 
haben, und daß die Kaiserin nahe daran gewesen ist, dem Überbringer der Nach- 
richt um den Hals zu fallen. Die offiziellen Bestätigungsurkunden treffen morgen 
oder spätestens übermorgen ein. Ich habe mir ausgerechnet, daß ich nicht vor 
dem 12. März aus Sachsen abgehen kann. Vierzehn Tage brauche ich, um 
meine schlesischen Angelegenheiten zu ordnen, so kann ich also nach oberflächlicher 
Berechnung nicht vor dem 29. des kommenden Monats in Berlin sein. Das 
Schöne an all dem, lieber Marquis, ist nicht, daß ich komme, sondern daß der 
Friede da ist. Die guten Bürger und das ganze Publikum haben völlig recht, sich 
darüber zu freuen. Was mich betrifft, so bin ich ein armer alter Mann, der in 
eine Stadt zurückkommt, die ihm bis auf die Mauern fremd geworden ist, in der 
er keine Bekannten mehr wiederfindet, und wo ihn eine unermeßliche Arbeitslast 
erwartet. In kurzer Zeit werde ich meine alten Knochen in einem Zufluchtsorte 
lassen, den weder der Krieg noch das Unglück noch die Schlechtigkeit der Menschen 
beunruhigt. Ich wohne hier in einem Landhause und lebe eingezogen und in 
meiner gewöhnlichen Art beschäftigt. Nur mein lieber Marquis fehlt mir, den ich 
jedoch bald in Berlin wiederzusehen hoffe. 
17. 
An den Marquis d'Argens. 
Dahlen, 1. März 1763. 
Endlich ist der Friede wirklich da, mein lieber Marquis. Diesmal reiten die 
Postillione mit ihrem ganzen Aufzuge mit Fug und Recht ins Tor. Gott sei 
Dank, daß meine kriegerische Lebensepoche zu Ende ist. Sie fragen mich, was 
ich treibe. Täglich höre ich Cicero reden, außerdem habe ich Batteux2) durch- 
gelesen. Sie sehen also, daß ich nicht faul bin. Ich bleibe hier oder in 
Torgau bis zum 13. Meine Reise in Schlesien wird vierzehn bis siebzehn Tage 
dauern, so daß ich erst am 31. März oder 2. April in Berlin sein kann. Am 
1. April mag ich nicht ankommen, dann würden Witze über mich gemacht und 
gesagt werden, ich hätte mich in den April schicken lassen. Wenn der Friede den 
Berlinern Freude macht, so geht es den Sachsen hier anders. Kaum haben wir 
eine Stadt oder einen Bezirk geräumt, so zieht der sächsische Steuerexekutor ein: 
„Bezahlt, bezahlt! der König von Polen braucht Geld!“ Das Volk muß die Härte 
dieses Vorgehens aufs tiefste empfinden. Es steckt im Elende, und statt Er- 
leichterung zu finden, sieht es nur, wie sein Ruin beschleunigt wird. Sehen Sie, 
mein Lieber, so ist es in Wirklichkeit mit Sachsen bestellt. Ich selbst sehe alle 
diese Steuereintreibungen als unbeteiligter Zuschauer mit an, ohne sie freilich als 
1) 4 Meilen südlich von Torgau. 
½), Die schönen Künste, Kursus der schönen Wissenschaften.“ Seine seichten nsichten, 
die auch in Deutschland viel Anhang fanden, wurden von Lessing erfolgreich bekämpft. 
8*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.