Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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Aufbruch. Jetzt übersah man die Chaussee und bemerkte, daß, während noch 
immer lange Reihen von Fuhrwerk aller Art nach Jena hinzogen, eine andere 
Masse in wilder Eile und Verwirrung von dort kam, um an unserem Lagerplatz 
vorüber nach Weimar zu fliehen. Sehr bald, etwa zwischen 8 und 9 Uhr, er- 
schienen in diesem mit jedem Augenblick wilder und wirrer werdenden Durch- 
einander unverkennbare Ausreißer und leicht Verwundete, die mit und ohne Waffen 
in eiliger Flucht vorüberzogen. Auf ihren Gesichtern lag Bestürzung und Mut- 
losigkeit; kaum standen ctliche Rede, wenn man sie anhielt. Fragte man sie aus, 
so vernahm man, daß es schlecht stehe, die Schlacht so gut wie verloren sei, die 
Kavallerie ihre Schuldigkeit nicht getan und die Infanterie im Stiche gelassen 
oder überritten habe, daß die Infanterie un Nebel gegen verdeckte Batterien ge- 
führt worden sei, und was dergleichen Redensarten mehr waren. Andere, und 
dies waren zumeist schwerer Verletzte, sagten das Gegenteil: es ginge alles gut, 
die Franzosen wären schon so gut wie geschlagen, und unsere Hilfe würde kaum 
noch nötig sein. 
Es war gegen 10 Uhr morgens, als sich endlich nach langem und unbegreif- 
lichem Zögern der General Rüchel mit seinem Korps in Marsch setzte. Dieser 
ging mehrere Stunden in der Richtung auf Jena, auf dem Gelände rechts der 
Chaussee, in ganz langsamer Bewegung wie auf dem Exerzierplatz fort. Je weiter 
wir vorrückten, je mehr füllte sich die Chaussee mit zurückkehrenden Verwundeten 
und zerstreuten Truppen aller Gattungen. Mittlerweile war es 1 Uhr geworden, 
und die Spitzen unserer Kolonnen änderten nun die Marschrichtung nach Jena, 
überschritten die Chaussee und wandten sich gegen Kapellendorf. Noch konnten wir 
nichts vom Schlachtfelde sehen, ebensowenig mit Bestimmtheit über den Stand 
der Dinge urteilen. Frohen Mutes, durch die empfangene Nachricht mit neuen 
Hoffnungen erfüllt, schritten die Soldaten unter lautem Gesange vorwärts. Das 
beliebte „Frisch auf, Kameraden,“ ertönte in beständiger Wiederholung und wurde, 
je näher wir dem Orte der Entscheidung kamen, mit steigender Begeisterung ge- 
sungen, bis endlich das Pfeifen der Kugeln dem Schwanengesange ein Ende 
machte. Wir rückten durch Kapellendorf vor; die Linie ging in musterhafter Ord- 
nung einige hundert Schritt gegen das Dorf Vierzehnheiligen. Die feindlichen 
Kugeln taten uns vielen Schaden, und wir hatten dem nichts entgegenzusetzen als 
ein paar Regimentsgeschütze, die bald in Unordnung gebracht wurden und ver- 
stummten. General von Rüchel und viele Stabsoffiziere wurden verwundet; die 
Soldaten waren ohne regelmäßige Führung und ohne Kommando. Zwar drangen 
die Soldaten in einer Art Wut und Verzweiflung immer noch vorwärts, aber das 
Geschrei der Tapferen wie der Verzagten: „Vorwärts, vorwärts!“, das Weh- 
klagen der Fallenden und Verwundeten, alles das machte die Unordnung immer 
größer, bis sie den höchsten Grad erreicht hatte und an kein Halten mehr zu 
denken war. Als die Verzweiflung den schon zerrissenen Bataillonen den letzten 
Versuch eingab und einzelne schwache Abteilungen mit dem Bajonett draufgingen, 
verdoppelte der Feind sein mörderisches Kartätschenfeuer, was uns den Rest gab. 
Die Flucht der ersten Linie ward allgemein. Anfangs gelang es zwar, unter 
dem Schutze des nachrückenden zweiten Treffens einzelne Abteilungen wieder zum 
Stehen zu bringen, allein es waren regellose Haufen, und alle Versuche einer 
Menge Offiziere und Unteroffiziere blieben fruchtlos. Als der Feind uns fort- 
während mit Kartätschen beschoß und endlich Kavallerie auf die regellosen Haufen 
einhieb, suchte alles Schutz hinter dem zweiten Treffen. Aber auch das zweite
	        
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