Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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Die Kunde von dem gleichfalls unglücklichen Ausgange der Schlacht von 
Auerstädt an diesem für Preußen so beispiellos folgenschweren Tage sowie die von 
der tödlichen Verwundung des Herzogs von Braunschweig kam sehr bald zu 
unserer Kenntnis. So waren die Ahnungen, die Voraussagungen so vieler, nur 
mit schlichtem Verstande begabten Leute in unserer Armee in Erfüllung gegangen. 
Es konnte nicht anders kommen, es mußte uns ein Unglück treffen, wir mußten 
geschlagen werden! Doch die Größe, den Umfang, die Folgen dieses Unglücks 
ahnte am 14. Oktober noch niemand. Die Schlacht war verloren. Dies sah und 
wußte jeder, der den Abend dieses unglücklichen Tages erlebte. Die Brust hätte 
vor Schmerz springen mögen, als man die Trümmer aller Korps der Armee 
sich vermischen und, selbst im Strudel einer unaufhaltbaren Menge auf der 
Chaussee fortgezogen, mit jedem Augenblick mehr Ordnungslosigkeit, Greuel, 
Verwirrung und panischen Schrecken einreißen sah. Allein wer hätte sich nicht 
der Hoffnung hingegeben, daß der kommende Tag, vielleicht schon die Nacht, 
dem Unglück ein Ende machen und der Armee einen Sammelplatz darbieten 
würde? Tausend Stimmen fragten danach; niemand antwortete. Generale, Offi= 
ziere des Generalstabes, selbst Adjutanten des Königs, alle, die es wissen konnten 
und mußten, gaben, selbst den Wogen des Rückzuges willenlos preisgegeben, nur 
unbestimmte Antwort. So wurde denn auch diese Hoffnung getäuscht. 
89. 
Auerstädt. 
Quelle: Ein Brief Scharnhorsts an seinen Sohn Wilhelm vom 5. No- 
vember 1806. 
Fundort: G. H. Klippel, Das Leben des Generals von Scharnhorst. Leipzig 1871. Bd. 3. S. 176. 
Lübeck, den 5. November 1806. 
Mein lieber Wilhelm! In einem Wirbel von unaussprechlichen Arbeiten, 
Unruhen und Fatiguen habe ich seit 21 Tagen auch nicht einen Augenblick 
Zeit gehabt, an Dich, meinen innigst geliebten Sohn, zu schreiben. Eine un- 
glückliche Schlacht am 14. und eine Menge Arrièregardengefechte und 21 Märsche, 
jeden 5—7 Meilen, zum Teil in der Nacht, habe ich glücklich überstanden. In der 
Schlacht habe ich einen Schuß in die Seite bekommen, die in acht Tagen geheilt 
sein wird; eine andere Kugel ging durch den Überrock an der Schulter, wo er 
wattiert war, und streifte mich nur. Ein Pferd verlor ich auf der Stelle, das 
andere wurde mir verwundet und trug in der Not den Prinzen Heinrich aus der 
Schlacht, nachdem sein Pferd erschossen war und er nicht gehen konnte; ich schlug 
mich mit einer Muskete in der Hand mit den letzten Musketieren durch. Ich 
hatte viel Glück. Der linke Flügel, den ich dirigierte, siegte, und nur erst, als der 
rechte geschlagen und der Feind dem linken in den Rücken kam, wurde der linke 
gezwungen, sich zurückzuziehen. Das schlechte Betragen mehrerer Kavallerie- 
regimenter, die Konfusion im Kommando, das Zurückhalten des Reservekorps, 35 
der Armee unter Kalkreuth, entzog uns den Sieg. Ich war rasend, klagte bei dem 
Könige, als ich aus der Schlacht kam, alle die an, die es verdienten. 
Seit dieser Zeit hielt ich mich an den Mann, mit dem ich glaubte, etwas aus- 
richten zu können, den General von Blücher. Wir haben die Arrièregarde 21 Tage 
gemacht, eine Menge Gefechte geliefert und die meisten glücklich, sind aber nicht 
über die Oder gekommen, weil wir drei Tagemärsche zurück waren. 
Adieu, mein bester Sohn. von Scharnhorst.
	        
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