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Die Kunde von dem gleichfalls unglücklichen Ausgange der Schlacht von
Auerstädt an diesem für Preußen so beispiellos folgenschweren Tage sowie die von
der tödlichen Verwundung des Herzogs von Braunschweig kam sehr bald zu
unserer Kenntnis. So waren die Ahnungen, die Voraussagungen so vieler, nur
mit schlichtem Verstande begabten Leute in unserer Armee in Erfüllung gegangen.
Es konnte nicht anders kommen, es mußte uns ein Unglück treffen, wir mußten
geschlagen werden! Doch die Größe, den Umfang, die Folgen dieses Unglücks
ahnte am 14. Oktober noch niemand. Die Schlacht war verloren. Dies sah und
wußte jeder, der den Abend dieses unglücklichen Tages erlebte. Die Brust hätte
vor Schmerz springen mögen, als man die Trümmer aller Korps der Armee
sich vermischen und, selbst im Strudel einer unaufhaltbaren Menge auf der
Chaussee fortgezogen, mit jedem Augenblick mehr Ordnungslosigkeit, Greuel,
Verwirrung und panischen Schrecken einreißen sah. Allein wer hätte sich nicht
der Hoffnung hingegeben, daß der kommende Tag, vielleicht schon die Nacht,
dem Unglück ein Ende machen und der Armee einen Sammelplatz darbieten
würde? Tausend Stimmen fragten danach; niemand antwortete. Generale, Offi=
ziere des Generalstabes, selbst Adjutanten des Königs, alle, die es wissen konnten
und mußten, gaben, selbst den Wogen des Rückzuges willenlos preisgegeben, nur
unbestimmte Antwort. So wurde denn auch diese Hoffnung getäuscht.
89.
Auerstädt.
Quelle: Ein Brief Scharnhorsts an seinen Sohn Wilhelm vom 5. No-
vember 1806.
Fundort: G. H. Klippel, Das Leben des Generals von Scharnhorst. Leipzig 1871. Bd. 3. S. 176.
Lübeck, den 5. November 1806.
Mein lieber Wilhelm! In einem Wirbel von unaussprechlichen Arbeiten,
Unruhen und Fatiguen habe ich seit 21 Tagen auch nicht einen Augenblick
Zeit gehabt, an Dich, meinen innigst geliebten Sohn, zu schreiben. Eine un-
glückliche Schlacht am 14. und eine Menge Arrièregardengefechte und 21 Märsche,
jeden 5—7 Meilen, zum Teil in der Nacht, habe ich glücklich überstanden. In der
Schlacht habe ich einen Schuß in die Seite bekommen, die in acht Tagen geheilt
sein wird; eine andere Kugel ging durch den Überrock an der Schulter, wo er
wattiert war, und streifte mich nur. Ein Pferd verlor ich auf der Stelle, das
andere wurde mir verwundet und trug in der Not den Prinzen Heinrich aus der
Schlacht, nachdem sein Pferd erschossen war und er nicht gehen konnte; ich schlug
mich mit einer Muskete in der Hand mit den letzten Musketieren durch. Ich
hatte viel Glück. Der linke Flügel, den ich dirigierte, siegte, und nur erst, als der
rechte geschlagen und der Feind dem linken in den Rücken kam, wurde der linke
gezwungen, sich zurückzuziehen. Das schlechte Betragen mehrerer Kavallerie-
regimenter, die Konfusion im Kommando, das Zurückhalten des Reservekorps, 35
der Armee unter Kalkreuth, entzog uns den Sieg. Ich war rasend, klagte bei dem
Könige, als ich aus der Schlacht kam, alle die an, die es verdienten.
Seit dieser Zeit hielt ich mich an den Mann, mit dem ich glaubte, etwas aus-
richten zu können, den General von Blücher. Wir haben die Arrièregarde 21 Tage
gemacht, eine Menge Gefechte geliefert und die meisten glücklich, sind aber nicht
über die Oder gekommen, weil wir drei Tagemärsche zurück waren.
Adieu, mein bester Sohn. von Scharnhorst.