Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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Es wird mir immer klarer, daß alles so kommen mußte, wie es gekommen ist. 
Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein, und es soll 
eine andere Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat und in sich 
selbst als abgestorben zusammenstürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren 
Friedrichs des Großen, der, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. 
Wir sind mit ihr nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns. — Das sieht 
niemand klarer ein als der König. Noch eben hatte ich mit ihm darüber eine 
lange Unterredung, und er sagte, in sich gekehrt, wiederholentlich: „Das muß auch 
bei uns anders werden.“ Auch das Beste und Uberlegteste mißlingt, und der 
französische Kaiser ist wenigstens schlauer und listiger. Wenn die Russen und die 
Preußen tapfer wie die Löwen gefochten hatten, mußten wir, wenn auch nicht 
besiegt, doch das Feld räumen, und der Feind blieb im Vorteil. Von ihm können 
wir vieles lernen, und es wird nicht verloren sein, was er getan und ausgerichtet 
hat. Es wäre Lästerung, zu sagen, Gott sei mit ihm; aber offenbar ist er ein 
Werkzeug in des Allmächtigen Hand, um das Alte, das kein Leben mehr hat, das 
aber mit den Außendingen fest verwachsen ist, zu begraben. 
Gewiß wird es besser werden; das verbürgt der Glaube an das vollkommenste 
Wesen. Aber es kann nur gut werden in der Welt durch die Guten. Deshalb 
glaube ich auch nicht, daß der Kaiser Napoleon Bonaparte fest und sicher auf 
seinem jetzt freilich glänzenden Throne ist. Fest und ruhig ist allein nur Wahrheit 
und Gerechtigkeit, und er ist nur politisch, das heißt klug, und er richtet sich nicht 
nach ewigen Gesetzen, sondern nach Umständen, wie sie nun eben sind. Dabei 
befleckt er seine Regierung mit vielen Ungerechtigkeiten. Er meint es nicht redlich 
mit der guten Sache und mit den Menschen. Er und sein ungemessener Ehrgeiz 
meint nur sich selbst und sein persönliches Interesse. Man muß ihn mehr be- 
wundern, als man ihn lieben kann. Er ist von seinem Glück geblendet, und er 
meint, alles zu vermögen. Dabei ist er ohne alle Mäßigung, und wer nicht Maß 
halten kann, verliert das Gleichgewicht und fällt. 
Ich glaube fest an Gott, also auch an eine sittliche Weltordnung. Diese sehe 
ich in der Herrschaft der Gewalt nicht: deshalb bin ich der Hoffnung, daß auf die 
jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird. Diese hoffen, wünschen und erwarten 
alle besseren Menschen, und durch die Lobredner der jetzigen und ihres großen 
Helden darf man sich nicht irre machen lassen. Ganz unverkennbar ist alles, was 
geschehen ist und geschieht, nicht das Letzte und Gute, wie es werden und bleiben 
soll, sondern nur die Bahnung des Weges zu einem besseren Ziele hin. Dieses 
Ziel scheint aber in weiter Entfernung zu liegen, wir werden es wahrscheinlich 
nicht erreicht sehen und darüber hinsterben. Wie Gott will, — alles, wie er will. 
Aber ich finde Trost, Kraft und Mut und Heiterkeit in dieser Hoffnung, die tief 
in meiner Seele liegt. Ist doch alles in der Welt nur UÜbergang. Wir müssen 
durch. Sorgen wir nur dafür, daß wir mit jedem Tage reifer und besser werden. 
Hier, lieber Vater, haben Sie mein politisches Glaubensbekenntnis, 
so gut ich als eine Frau es formen und zusammensetzen kann. Mag es seine 
Lücken haben, ich befinde mich wohl dabei; entschuldigen Sie aber, daß ich Sie 
damit behellige. Sie sehen wenigstens daraus, daß Sie auch im Unglück eine 
fromme, ergebene Tochter haben, und daß die Grundsätze christlicher Gottesfurcht, 
die ich Ihren Belehrungen und Ihrem frommen Beispiele verdanke, ihre Früchte 
getragen haben und tragen werden, so lange Odem in mir ist. 
Gern werden Sie, lieber Vater, hören, daß das Unglück, das uns getroffen,
	        
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