Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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in unser eheliches und häusliches Leben nicht eingedrungen ist, vielmehr es be— 
festigt und uns noch werter gemacht hat. Der König, der beste Mensch, ist gütiger 
und liebevoller als je. Mehr in Handlungen, wie er ist, als in Worten, ersehe ich 
die Aufmerksamkeit, die er in allen Stücken für mich hat, und noch gestern sagte 
er schlicht und einfach, mit seinen treuen Augen mich ansehend, zu mir: „Du, 
liebe Luise, bist mir im Unglück noch werter und lieber geworden. Nun weiß ich 
aus Erfahrung, was ich an dir habe. Mag es draußen stürmen — wenn es in 
unserer Ehe nur gut Wetter ist und bleibt. Weil ich dich so lieb habe, habe ich 
unser jüngst geborenes Töchterchen „Luise' genannt. Möge es eine Luise werden.“ 
Bis zu Tränen rührte mich diese Güte. Es ist mein Stolz, meine Freude 
und mein Glück, die Liebe und Zufriedenheit des besten Mannes zu besitzen, und 
weil ich ihn von Herzen wieder liebe und wir so miteinander eins sind, daß der 
Wille des einen auch der Wille des andern ist, wird es mir leicht, dies glückliche 
Einverständnis, welches mit den Jahren inniger geworden ist, zu erhalten. Mit 
einem Worte, er gefällt mir in allen Stücken, und ich gefalle ihm, und uns ist 
am wohlsten, wenn wir zusammen sind. 
Verzeihen Sie, lieber Vater, daß ich dies mit einer gewissen Ruhmredigkeit 
sage; es liegt darin der kunstlose Ausdruck meines Glückes, welches keinem auf der 
Welt wärmer am Herzen liegt als Ihnen, bester, zärtlichster Vater! Gegen andere 
Menschen, auch das habe ich von dem Könige gelernt, mag ich davon nicht 
sprechen; es ist genug, daß wir es wissen. 
Ich schreibe Ihnen dies, geliebter Vater, damit Sie mit Beruhigung an uns 
denken. Ihrem freundlichen Andenken empfehle ich meinen Mann, auch unsere 
Kinder alle, die dem ehrwürdigen Großvater die Hände küssen: und ich bin und 
ich bleibe, bester Vater, Ihre dankbare Tochter Luise. 
95. 
Die Belagerung von Kolberg. 
1807. 
Quelle: J. C. L. Haken, Joachim Nettelbeck, Bürger zu Kolberg. 
Eine Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgezeichnet. 
Leipzig 1821—23. Bd. 3. S. 144—149. 
Der Friede zu Tilsit war schon abgeschlossen, ohne daß wir es auch nur von 
fern ahnten, während unsere Belagerer, nur zu wohl davon unterrichtet, noch ein- 
mal alle ihre Kräfte aufboten, sich Kolbergs zu bemächtigen, bevor die Friedens- 
nachricht uns erreichte und ihnen die Waffen aus den Händen schlüge .. Alles, 
was von Anbeginn der Belagerung seit dem 13. März bis jetzt vom Feinde unter- 
nommen worden, mochte daher nur als ein leichtes Vorspiel von dem gelten, 
wozu die dritte Morgenstunde des 1. Julius die Losung gab. Denn mit derselben 
eröffnete er aus allen seinen zahlreichen Batterien ein Feuer gegen die Stadt, so 
ununterbrochen, so von allen Seiten kreuzend und so mörderisch und zerstörend, 
wie wir es noch nie erlebt hatten. Die Erde dröhnte unter unseren Füßen, es 
war, als ob die Welt vergehen sollte. Sichtbarlich legten unsere Gegner es darauf 
an, uns durch ihr Bombardement in dem engen Raume unserer Wüälle dergestalt 
zu ängstigen, daß wir, nirgends mehr unseres Bleibens wissend, die weiße Fahne 
zur Ergebung aufstecken müßten.
	        
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