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108.
Scharnhorsts und Gneisenaus Ansichten über den Abschluß des
preußisch- französischen Bündnisses.
1. Quelle: Ein Brief Schernyockes an Yorck vom 26. Februar 1812.
Fundort: J. G. Drovsen Das Leben des Feldmarschalls Grafen Yorck von Wartenburg.
10. Aufl. Berlin 1897. Bd. 1. S. 236.
Herzlichst und innigst danke ich Ihnen für das Andenken, welches Ihr Brief
vom 18. d. (Febr.) mir beweiset. In ciner so bestürmten, wankenden Lage, in
einer solchen finsteren Finsternis der Zukunft, wie die unserige ist, kommt jedes
Gemüt in Bewegung und wünscht eine gegenseitige Mitteilung. Ich erlaube mir
indessen keine Meinung über unsere politischen Schritte. Wir unterliegen einem
labyrinthischen Gewirre, welches die Zukunft entwickeln wird, und welches eben so
sehr ein Resultat unserer besonderen Lage, als anderer Umstände ist. Ich habe
jetzt keinen anderen Wunsch mehr als einen ehrenvollen Tod, wenn das
Verhängnis ein Unglück für den Regenten und den Staat herbeiführen
sollte.
2. Quelle: Ein Brief Gneisenaus an Steint) vom 2. April 1812.
Fundort: Pertz a. a. O. Bd. 3. S. 29.
Breslau, den 2. April 1812.
In dem Alter, worin andere sich zur Ruhe begeben, stürze ich mich aber-
mals in die großen Weltbegebenheiten. Ich bin hier auf der Durchreise und will
mich demnächst nach St. Petersburg verfügen. Ist dort nichts für meine Pläne zu
tun, wie ich fast fürchte (denn den beiden Kaisern ist an dem Krieg nichts ge-
legen), so gehe ich nach Schweden und England, vielleicht nach Spanien, nicht
um dort etwas wirken zu wollen, sondern um eine verdrußvolle Zeit in dem Ge-
räusch kriegerischer Tätigkeit hinzubringen und mich zu zerstreuen, dessen ich be-
darf. Wenn man fünf Jahre gekämpft und gearbeitet hat?) und sein mit
Erfolg gesegnetes Werk durch einen unglücklichen Federzug vernichtet
sieht, so wird es dem mit Kummer belasteten Gemüt wohl Bedürfnis,
einen anderen Himmel aufzusuchen, unter dem die sorgsam gepflegte und
schwer verletzte Pflanze vielleicht wieder aufblühen möge. In welchem vor-
trefflichen Rüstungszustande wir waren, würde die Welt kaum glauben, sofern es
bekannt gemacht werden könnt .
Wie die Sachen zuletzt gekommen sind, sah ich schon damals voraus, und ich
trat nur deswegen nicht sogleich aus dem Staatsdienst, um meine Freunde nicht
mutlos zu machen und auszuharren, wie ich selbigen versprochen hatte. Auch
konnten äußere Glücksfälle die Sachen vielleicht besser wenden. Bei erfolgter
Unterzeichnung verlangte und erhielt ich meine Entlassung. Ich habe nun mein
Hauswesen bestellt, meine sieben Kinder noch gesegnet, und morgen setze ich meinen
Stab weiter.
Erhalten mir Ew. Exzellenz Ihr Wohlwollen. Immer werde ich es durch
treue Anhänglichkeit zu verdienen trachten. Gott segne Sie. Mit der reinsten
Verehrung Eurer Exzellenz untertäniger Diener
N. von Gneisenau.
1) Stein lebte zu Prag im Exil.
2) an der Reorganisation der Armec.
W. u. O. Hein ze-Kinghorst, Quellenlesebuch I1. 13