Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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Kranker, denen sich fortzubegeben noch möglich war, die Hospitäler verließen und 
zu entfliehen suchten. 
Auch auf der Seite von Lindenau her ging es mit den Franzosen sehr rück- 
wärts, und nur mehrere von Napoleon selbst durch die Stadt über den Markt 
hinweg in Galopp zur Unterstützung herbeigeführte Batterien konnten den öster— 
reichischen General Giulay, der sich bereits dem Kuhturme genähert hatte, von 
dem Eindringen in die Stadt abhalten. 
Die einbrechende finstere Nacht erst hatte am 16. Oktober der Schlacht ein 
Ende gemacht, über deren Erfolg wir in der tiefsten Ungewißheit blieben, doch so 
viel mit Zuverlässigkeit schließen konnten, daß, wenn die französische Armee Fort- 
schritte gemacht haben sollte, diese nicht von Bedeutung sein könnten, da nach der 
Aussage der in Scharen herbeiströmenden Verwundeten selbst in den Gegenden 
vor dem Grimmaischen und Peterstore die französischen Regimenter fast ins- 
gesamt noch auf den Plätzen standen, wo sie am Morgen die Schlacht begonnen. 
Die größte Schwierigkeit war nun jedoch das Unterbringen der Verwundeten. 
Zwar war am Morgen des 16. Oktobers in Ermangelung anderer Plätze das 
Kornhaus zum Spitale bestimmt und an sämtliche Torschreiber Befehl erteilt 
worden, alle ankommenden Verwundeten dahin zu weisen. Noch war jedoch kaum 
die Hälfte der Nacht vom 16. zum 17. Oktober verstrichen, und schon war das 
Kornhaus mit fast 6000 Verwundeten, der höchsten Zahl, die dort unterzubringen 
war, überfüllt. Die später ankommenden Verwundeten, die im Kornhause nicht 
mehr Unterkommen finden konnten, blieben nun ermattet auf der Straße liegen, 
und an beiden Seiten des Neuen Neumarktes vom Kornhause herunter, über die 
Grimmaische Straße hinweg nach dem Naschmarkte zu, auf diesem bis an die 
Börse, wo sich das Lazarettkomitee befand, und bis an beide Türen des Rat- 
hauses lagen die Verwundeten in so dichten Reihen, daß in der Mitte nur ein 
ganz schmaler Weg für Fußgänger übrig blieb. 
Sonntags am 17. Oktober früh war auf den obengenannten Straßen der 
Stadt der Anblick wahrhaft gräßlich. Zwar suchten sich die Verwundeten, die nur 
noch kriechen konnten, jetzt auf alle mögliche Art zu entfernen und unterzukommen. 
Aber die schwerer Verwundeten wälzten sich in ihrem Blute, und mehrere Tote 
lagen in wahren Teichen von Blut. An dergleichen Anblicke jetzt noch nicht ge- 
wöhnt, hatten wir an diesem Morgen keine angelegentlichere Sorge, als diese zu 
entfernen und die Straßen der Stadt möglichst schnell reinigen zu lassen. An 
welche Gefühllosigkeit mußten wir uns aber in der Folge gewöhnen, da neun 
Wagen, die täglich von früh 5 Uhr an bis zur dunklen Nacht ununterbrochen 
fuhren, nicht hinreichten, die Leichen aus den Hospitälern aus der Stadt zu 
schaffen. 
Die fechtenden Armeen gaben sich am 17. Oktober gegenseitig Ruhetag. Der 
hiesigen Stadt aber wurde keine Ruhe zuteil. Nicht nur auf der Seite von 
Lindenau herein und aus der Gegend vor dem Halleschen Tore kamen mehrere 
Kanonenkugeln und Granaten in die Stadt und beschädigten Häuser auf der 
Fleischergasse, in der Nikolaistraße und auf dem Brühl, sondern auch die 
peinigendsten Quälereien wegen Lieferung von Lebensmitteln für die um die 
Stadt herumstehenden Armeen, wegen Stellung der nötigen Pferde, teils zum 
Transporte der Lebensmittel, teils zur Abholung der auf den benachbarten Dörfern 
liegenden Verwundeten, waren beim Rathause ohne Ende. Auch bedrohten uns 
die französischen Behörden mit Napoleons ganzem Zorne, wenn nicht in schnellster
	        
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