Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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Eile die erforderlichen Lazarettbedürfnisse an Bettstellen, Strohsäcken usw. an- 
geschafft und angemessene Lokale zu Lazaretten angewiesen würden. 
Zwar forderte der Magistrat am 17. Oktober noch zur Lieferung von Lazarett- 
bedürfnissen auf, und es ging auch manches davon ein; aber hier ließ sich mit 
Wahrheit der Ausspruch anwenden: Was ist das unter so viele! 
Außer der Nikolaikirche war kein einziges hiesiges öffentliches Gebäude mehr 
frei; nun erfolgte sogar die Weisung, daß die Häuser ganzer Straßen von ihren 
Bewohnern geräumt und zu Militärlazaretten eingerichtet werden sollten. 
Am 18. Oktober früh erneuerte sich die Schlacht mit fürchterlicher Wut. Aber 
wahrscheinlich mußten die Franzosen bereits vormittags zu ahnen anfangen, daß 
der Ausgang für sie widrig sein werde. Denn es wurden die französischen Be- 
hörden, wenn auch nicht in der Größe ihrer Forderungen, doch in der Art, wie 
sie solche machten, sanfter und milder. Ja, der Oberaufseher sämtlicher Hospitäler, 
Marchand, erbot sich nun sogar von freien Stücken, für die hier befindlichen 
Kranken zu bezahlen. Auch ließ er nicht undeutlich merken, daß die Kranken hier 
zurückbleiben, die Armee aber Leipzig verlassen würde. 
Nachmittags brannte das Vorwerk Pfaffendorf nieder, und in demselben ver- 
brannten mehrere Hundert Kranke. Auf dem Brühl entstand durch hereingefallene 
Kugeln Feuer, das aber von der herbeigeeilten hiesigen Feuerwehr noch glücklich 
gelöscht wurde, ehe es weiter um sich griff. Der Andrang der ankommenden Ver- 
wundeten wurde immer stärker, aber sie mußten nun mit Schuppen, Scheunen 
und Ställen sich begnügen. 
Gegen 4 Uhr nachmittags kam der später mit in St. Helena gewesene General 
Bertrand mit seinem Korps zum Halleschen Tore herein auf hiesigem Markte an. 
Natürlich mußten wir dieses Korps als ankommende neue Gäste ansehen, und da 
wir zu den verlangten Erquickungen an Lebensmitteln auch nicht das Geringste 
hatten, so war diesen Hungernden und Dürstenden gegenüber unsere Lage höchst 
peinlich. Das Bertrandsche Korps konnte auf hiesigem Markte eine halbe Stunde 
lang sozusagen nur verschnaufen, dann wurde Marsch geschlagen, und es zog zum 
Ranstädter Tore hinaus, um zum Rückzuge der französischen Armee nach Weißen- 
f#els zu den Weg zu säubern und zu bahnen. 
Die nächste Nacht brachte Napoleon in hiesiger Stadt zu, und zwar im Hotel 
de Prusse. Dieser sonst übermächtige Herrscher konnte doch nicht Steine zu Brot 
werden lassen, noch konnten seine sonst so furchtbaren Garden ihm solches ver- 
schaffen. Er mußte mit dem für ihn und sein starkes Gefolge von uns bei den 
hiesigen Bäckern zusammengeholten geringen Vorrate, der nur 17 Guoschen 
6 Pfennige betrug, sich begnügen. 
Ein einleuchtenderer Beweis, wie groß der Brotmangel in Leipzig war, kann 
wohl kaum geführt werden. Der General Margaron, der etliche Wochen unser 
Stadtkommandant gewesen war, jetzt aber mit seiner Abteilung in der Nähe des 
Kuhturmes stand, schickte zwei Karolin auf das Rathaus mit der Bitte, man möge 
ihm dafür aus alter Bekanntschaft nur ein Kommißbrot zukommen lassen. 
Am 19. Oktober kam Napoleon mit einer sehr starken Begleitung zu Pferde 
von der Grimmaischen Straße her auf den Markt, und als Augenzeuge muß ich 
versichern, daß weder während des halbstündigen Besuches, welchen er dem Könige 
von Sachsen machte, und bei dem er im Thomäschen Hause eine Treppe hoch 
im Erker stand, noch bei seinem Wegreiten Angstlichkeit an ihm zu bemerken war; 
nur nahm er auffallend oft Tabak. 
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. II. 15
	        
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