Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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sie ritten also mit ihm das kleine Gäßlein heraus und durch die Mördergasse und 
Neugasse herum und die St. Paulsgasse herab bis an den oberen Markt. Man 
führte die zwei Banner an Spießen vor dem Marktgrafen einher, und es ward 
des reitenden Volkes so viel, daß sie zum Teil halten mußten an der Rheingasse 
und bis zum St. Paulsbrunnen. Und es waren alle Häuser, von denen man 
dahin sehen konnte, von Leuten überfüllt. Und als der Burggraf an den Markt 
kam mit den Bannern und mit den Leuten, die vor ihm, neben ihm und hinter 
ihm hielten, da war auf der Tribüne an dem Hause vor der Mauer unter den 
Decken ein schöner Sessel bereitet, bedeckt mit einem güldenen Tuche. Und zum 
ersten ging heraus Herzog Ludwig von Bayern, Pfalzgraf zu Heidelberg, aus 
einem Laden auf dem Gerüste und war bekleidet mit einem Rocke wie ein 
Letzger!). Er hatte eine Pelzkappe um die Schultern und einen Pelzhut auf 
seinem Haupte und trug ein bloßes Schwert in seiner Hand. Er stellte sich an die 
Mauer neben den Stuhl, so daß ihn jeder wohl sehen konnte, und kehrte das 
Antlitz gegen den Markt. Vorher waren drei Kardinäle und Erzbischöfe und des 
Königs Kanzler hinaufgegangen. Die hatten Briefe in ihren Händen über das, 
was der Markgraf dem heiligen Römischen Reiche schwören sollte. Nach Herzog 
Ludwig kam Herzog Rudolf von Sachsen der Altere, der Kurfürst, auch bekleidet 
mit solchem Gewande gleichwie der Herzog Ludwig; er trug eine güldene Lilie 
in seiner Hand und stellte sich mit dem Rücken gegen die Mauer zur rechten Hand 
des Thrones und sah auch auf den oberen Markt, daß ihn ein jeder sehen konnte. 
Danach kam Herzog Heinrich von Bayern, der war aber nicht gekleidet wie die 
anderen zwei Kurfürsten; er ging, so kostbar er konnte, und trug ein Zepter in 
seiner Hand, das war wie eine große Kugel und war eitel golden, und war 
darauf ein golden Kreuz. Und er stellte sich neben Herzog Rudolf von Sachsen 
und kehrte auch den Rücken an die Mauer und sah auf den oberen Markt. Da- 
nach gebot man Ruhe. Da kam unser Herr, der König, und war bekleidet mit 
einem güldenen Gewand wie ein Evangelier) und hatte auch eine Chorkappe um 
die Schultern und eine hohe goldene Krone auf seinem Haupte. Und man trug 
vor ihm heraus zu den anderen Fenstern zwei große brennende Kerzen. Und als 
er herauskam, da standen die Kardinäle und Bischöfe vor ihm auf. Da hieß er sie 
niedersetzen und setzte sich selbst auch auf ein Kissen und kehrte den Rücken an die 
Mauer und das Antlitz gegen den Markt, so daß ihn jeder sehen konnte. Und es 
gab ihm da der Herzog von Sachsen die Lilie in die eine Hand und Herzog 
Heinrich das Zepter in die andere Hand. Da legte ihm Herzog Ludwig das 
Schwert in den Schoß. Und da fingen die Posauner an zu posaunen um die 
Wette und die Pfeifer. Danach ward großes Stillschweigen geboten. Während 
des Schweigens rief man Burggraf Friedrich auf. Der saß ab von seinem Rosse 
und ging vor den König; neben ihm trug man die zwei Banner. Und als er 
hinaufkam und vor dem König niederkniete, nahm er ein jegliches Banner in 
seine Hand. Da ward ihm vorgelesen, daß er dem heiligen Reiche schwören und 
besiegeln sollte. Als die Briefe verlesen wurden, gab unser Herr, der König, die 
Lilie und das Zepter zurück. Hierauf nahm Herzog Ludwig das Schwert aus 
seinem Schoß, hob es hoch empor und steckte die Spitze in des Königs Krone. 
Da nahm der König die zwei Banner, jegliches in eine Hand. Nun schwur Burg- 
1) Letzger ist ein Geistlicher, der die epistolische Lektion im Hochamt singt. 
2) Evangelier ist ein Geistlicher, der das Evangelium singt. 
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch., II. Pr
	        
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