Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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verstehen, sie unterscheidet nicht den Vorwand von der Wahrheit und bedenkt 
nicht, wenn dieser Vorwand aufhören sollte, das heißt, wenn man von mir nichts 
mehr zu besorgen hätte, daß bald ein anderer gefunden werden würde, um dennoch 
in Seiner Liebden Lande zu bleiben. 
Ich hätte nicht erwartet, daß S. L. sich vor dem Kriege so sehr entsetzen 
würde, daß sie sich darüber stillsitzend um all das Ihrige bringen ließe. Oder weiß 
denn S. L. noch nicht, daß des Kaisers und der Seinigen Absicht diese ist, nicht 
eher aufzuhören, als bis die evangelische Religion im Reiche ganz ausgerottet ist, 
und daß S. L. nichts anderes zu erwarten habe, als entweder ihre Religion zu 
verleugnen oder ihr Land zu verlassen? Meinet sie, daß sie mit Bitten und 
Flehen und dergleichen Mitteln etwas anderes erlangen werde? Um Gottes 
willen bedenke sie sich doch ein wenig und fasse einmal männliche Entschlüsse. 
Sie sehe diesen frommen Herrn, den Herzog von Pommern, an, der auch so un- 
schuldigerweise, da er gar nichts verwirkt, sondern nur sein Bierchen in Ruhe ge- 
trunken hat, so jämmerlich um das Seine gebracht worden ist, und wie wunderlich 
Gott ihn errettet hat, daß er sich mit mir verglich. Was jener aus Not getan, 
das mag S. L. freiwillig tun. 
Ich kann nicht wiederum zurück, der Würfel ist gefallen, wir haben den 
Rubikon überschritten. Ich suche bei diesem Werke nicht meinen Vorteil, gar keinen 
Gewinn als die Sicherheit meines Reiches, sonst habe ich nichts davon als Un- 
kosten, Mühe, Arbeit und Gefahr an Leib und Leben. Man hat mir Ursache 
genug dazu gegeben; man hat zuerst den Polen, meinen Feinden, zweimal Hilfe 
geschickt und versucht, mich herauszuschlagen, dann hat man sich der Ostseehäfen 
bemächtigen wollen; daraus konnte ich wohl ersehen, was man im Sinne hatte. 
Eben solche Ursachen hat S. L., der Kurfürst, auch, und es wäre nunmehr Zeit, 
die Augen aufzumachen und sich etwas von den guten Tagen abzubrechen, damit 
S. L. nicht länger in seinem Lande ein Statthalter des Kaisers, ja eines kaiserlichen 
Dieners sein möge. Wer sich zum Schafe macht, den fressen die Wölfe. 
Jetzt gerade ist die beste Gelegenheit, da ihr Land der kaiserlichen Soldaten 
ledig ist, daß sie ihre Festungen selbst gut besetze und verteidige. Will sie das 
nicht tun, so gebe sie mir eine, etwa nur Küstrin, so will ich sie verteidigen, und 
bleibet ihr dann in euerer Untätigkeit, die euer Herr so sehr liebt. 
Was wollt ihr sonst machen? Denn das sage ich euch klar voraus: ich will 
von keiner Neutralität nichts wissen noch hören. S. L. muß Freund oder Feind 
sein. Wenn ich an ihre Grenzen komme, muß sie sich kalt oder warm erklären. 
Hier streitet Gott und der Teufel. Will S. L. es mit Gott halten, wohl, so trete 
sie zu mir; will sie es aber lieber mit dem Teufel halten, so muß sie fürwahr 
mit mir fechten. Ein drittes gibt es nicht; des seid gewif 
S. L. traut weder Gott noch ihren guten Freunden. Darüber ist es ihr 
schlecht gegangen in Preußen und in diesen Landen. Ich bin S. L. Diener und 
liebe sie von Herzen, mein Schwert soll zu ihren Diensten sein, das soll sie bei ihrer 
Hoheit, bei Land und Leuten erhalten. Aber sie muß dazu auch das Ihrige tun. 
S. L. hat ein großes Interesse an diesem Herzogtume Pommern, dasselbe 
will ich verteidigen ihr zu gut, aber unter derselben Bedingung, wie in dem Buche 
Ruth dem nächsten Erben das Land angeboten wird, daß er nämlich die Ruth 
selbst zum Weibe nehme, so muß auch S. L. diese Ruth mitnehmen, das heißt, 
sich in dieser gerechten Sache mit mir verbinden, wenn sie überhaupt das Land 
erben will. Wo nicht, so sage ich klar heraus, daß sie es nimmer bekommen soll.
	        
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