Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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Jedem Vorschlage finanzieller Reformen ist meine vorurteilsfreie Erwägung 
im voraus gesichert, wenn nicht die in Preußen altbewährte Sparsamkeit die Auf- 
legung neuer Lasten umgehen und eine Erleichterung bisheriger Anforderungen 
herbeiführen läßt. 
Die größeren und kleineren Verbänden im Staate verliehene Selbstverwaltung 
halte ich für ersprießlich. Dagegen stelle ich es zur Prüfung: ob nicht das diesen 
Verbänden gewährte Recht der Steuerauflagen, welches von ihnen ohne hin- 
reichende Rücksicht auf die gleichzeitig von Reich und Staat ausgehende Belastung 
geübt wird, den einzelnen unverhältnismäßig beschweren kann. 
In gleicher Weise wird zu erwägen sein, ob nicht in der Gliederung der Be- 
hörden eine vereinfachende Anderung zulässig erscheint, in welcher die Verminderung 
der Zahl der Angestellten eine Erhöhung ihrer Bezüge ermöglichen würde. 
Gelingt es, die Grundlagen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens kräftig 
zu erhalten, so wird es mir zur besonderen Genugtuung gereichen, die Blüte, 
welche deutsche Kunst und Wissenschaft in so reichem Maße zeigt, zu voller Ent- 
faltung zu bringen. 
Zur Verwirklichung dieser meiner Absichten rechne ich auf Ihre so oft be- 
wiesene Hingebung und auf die Unterstützung Ihrer bewähren Erfahrung. Möge 
es mir beschieden sein, dergestalt unter einmütigem Zusammenwirken der Reichs- 
organe, der hingebenden Tätigkeit der Volksvertretung, wie aller Behörden und 
durch vertrauensvolle Mitarbeit sämtlicher Klassen der Bevölkerung Deutschland und 
Preußen zu Ehren in friedlicher Entwicklung zu führen! 
Unbekümmert um den Glanz ruhmbringender Großtaten, werde ich zufrieden 
sein, wenn dereinst von meiner Regierung gesagt werden kann, sie sei meinem 
Volke wohltätig, meinem Lande nützlich und dem Reiche ein Segen gewesen! 
Berlin den 12. März 1888. 
Ihr wohlgeneigter Friedrich III. 
V. 
Der Aufstieg zur Weltmacht. 
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Ein Charakterbild Kaiser Wilhelms II. 
Quelle: Dr G. Hinzpeter, Kaiser Wilhelm II. Bielefeld 1888. S. 4—152. 
Aus der Verbindung von welfischem, leicht in Energie umgesetztem Starrsinn 
und hohenzollernschem, mit Idealismus gepaartem Eigenwillen wurde am 
27. Januar 1859 ein menschliches Wesen geboren mit eigentümlich stark aus- 
geprägter Individualität, welche, durch nichts wirklich verändert, selbst den mächtigsten 
1) Dr. Hinzpeter war der bekannte Erzieher des Kaisers, der, wie er selbst sagte, 
„mehr als 20 Jahre hindurch die Entwicklung dieser Individualität zu verfolgen im- 
stande und während mehr als der Hälfte dieser Zeit ihr Wesen zum Gegenstand eifrigsten 
Studiums zu machen berufen" und darum, wie kein anderer, befähigt war „eine Ekizze 
nach der Natur zu zeichnen“.
	        
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