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Wir bedauern auf das tiefste, daß Freiherr von Ketteler ein so schreckliches
Ende gefunden hat, um so mehr, als uns das Gefühl der Verantwortung schmerzt,
nicht in der Lage gewesen zu sein, rechtzeitig schützende Maßregeln zu treffen.
Aus dem Gefühl unserer schweren Verantwortlichkeit heraus haben wir be—
fohlen, ein Denkmal an der Stelle des Mordes zu errichten als ein Warnzeichen,
daß Verbrechen nicht ungesühnt bleiben dürfen.
Weiterhin haben wir den Kaiserlichen Prinzen Tschun Tsaifong an der Spitze
einer Sondergesandtschaft nach Deutschland entsandt mit unserem Handschreiben.
Prinz Tschun, unser leiblicher Bruder, soll Eurer Majestät versichern, wie sehr
uns die Vorgänge im verflossenen Jahre betrübt haben, und wie sehr die Ge—
fühle der Reue und Beschämung uns noch beseelen.
Eure Majestät sandten aus weiter Ferne Ihre Truppen, um den Borxer—
aufstand niederzuwerfen und Frieden zu schaffen zum Wohle unseres Volkes.
Wir haben daher dem Prinzen Tschun befohlen, Eurer Majestät unseren Dank
für die Förderung des Friedens persönlich auszusprechen.
Wir geben uns der Hoffnung hin, daß Eurer Majestät Entrüstung den alten
freundschaftlichen Gesinnungen wieder Raum gegeben hat, und daß in Zukunft die
Beziehungen unserer Reiche zueinander sich noch vielseitiger, inniger und segens-
reicher gestalten mögen als bisher.
Dieses ist unsere feste Zuversicht.
99.
Die Vernichtung der Hereros.
1804/06.
Quelle: Kriegsgeschichtliche Abteilung I des Großen Generalstabes,
Die Kämpfe der deutschen Truppen in Südwestafrika. Berlin 1966.
Bd. 1. Seite 193—214.
Bis zum 20. Augustt) klärte sich die Lage einigermaßen. Gefangenenaussagen
und die Beobachtungen der deutschen Erkundungsabteilungen stimmten dahin über-
ein, daß der Feind sich bei Otjekongo und Otjomaso?) am Westrande des Sand-
feldes zu sammeln schien. Es war also dank der weitschauend angelegten Ver-
folgung gelungen, den Feind, der bei seinem Weitermarsch nach Süden leicht
seine alten Schlupfwinkel . hätte gewinnen können, gegen das Sandfeld zu
drücken. Falls die Hereros noch eine Spur von Widerstandskraft besaßen, mußten
sie sich nun noch einmal zum Kampf auf Leben und Tod stellen, ehe sie dieses
Verderben bringende Gebiet betraten.
Eine Fortsetzung der Flucht in das Sandfeld mußte den schließlichen Unter-
gang des gesamten Hererovolkes zur Folge haben. Es galt deshalb, unverzüglich
die Verfolgung des Feindes, der bereits mit stärkeren Kräften im weiteren Ab-
zuge nach Osten und Südosten gemeldet war, wieder aufzunehmen, um ihn sobald
wie möglich zum Kampf zu zwingen.
#1) Am 11. und 12. August 1904 wurden die Hereros durch die deutschen Truppen,
die der General von Trotha befehligte, am Waterberge entscheidend geschlagen, doch gelang
es infolge einer Reihe unglücklicher Umstände nicht, die überlebenden feindlichen Kräfte
zur Ergebung zu zwingen. Die Masse der Hereros entkam in südöstlicher Richtung;
deutscherseits verlor man für einige Tage die Fühlung mit dem Gegner.
2) Beide Orte liegen südöstlich vom Waterberg.