Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

Ich ging hinunter zu den Truppen. Als ich zurückkehrte in die Zimmer der 
Königin, beruhigte ich die desolierten Anwesenden damit, daß alle Truppen noch 
da seien und vom besten Sinn beseelt. Mit einemmal höre ich trommeln; ich 
stürze an das Fenster und sehe — das 1. Garderegiment aus dem Portal Nr. 1 
abmarschieren über den Schloßplatz unter dem Zujauchzen des Volkes! Zugleich 
kommt von allen Seiten der Ruf: „Die Truppen verlassen die Plätze!“ Ich frage 
den Kriegsminister von Rohr, ob er es befohlen; er sagt: „Im Gegenteil, ich hatte 
befohlen, daß die Truppen um das Schloß biwakieren sollten.“ Da tritt jemand 
ein und sagt, Graf Arnim soll es befohlen haben, indem er erklärt, halbe Maß- 
regeln taugen nichts, also es müssen die Truppen in die Kasernen rücken. Der 
p. von Rohr nahm seinen Hut, warf ihn auf den Tisch und rief: „Das mag der 
Graf Arnim verantworten!“ und ich rief ihm zu: „Nun ist alles verloren!“ — 
Daß Graf Arnim jenen Befehl und jene Außerungen nicht getan, hat er mir 
bald nach meiner Rückkehr angezeigt. 
15. 
Friedrich Wilhelm IV. und die deutsche Frage. 
1848. 
1. Quelle: Patent Friedrich Wilhelms IV. wegen beschleunigter Ein- 
berufung des Vereinigten Landtages vom 18. März 1848. 
Fundort: Friedrich Wilhelm IV. a. a. O. Bl. 2. Nr. 5. 
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen usw. Als 
wir am 14. d. M. unsere getreuen Stände zum 27. April d. J. beriefen, um 
vereint mit ihnen die Maßregeln zu beschließen, die die unseren deutschen Bundes- 
genossen vorzuschlagende Regeneration Deutschlands auch für Preußen notwendig 
bedingen, konnten wir nicht ahnen, daß in denselben Stunden große Ereignisse in 
Wien einerseits die Ausführung unserer Vorschläge wesentlich erleichtern, ander- 
seits aber auch die Beschleunigung ihrer Ausführung unerläßlich machen würden. 
Jetzt nach jenem wichtigen Ereignis finden wir uns vor allem bewogen, nicht 
allein vor Preußens, sondern vor Deutschlands, so es Gottes Wille ist, bald innigst 
vereintem Volke laut und umumwunden auszusprechen, welches die Vorschläge 
sind, die wir unseren deutschen Bundesgenossen zu machen beschlossen haben. 
Vor allem verlangen wir, daß Deutschland aus einem Staatenbund zu einem 
Bundesstaat verwandelt werde. Wir erkennen an, daß dies eine Reorganisation 
der Bundesverfassung voraussetzt, die nur im Verein der Fürsten mit dem Volke 
ausgeführt werden kann, daß demnach eine vorläufige Bundesrepräsentation aus 
den Ständen aller deutschen Länder gebildet und unverzüglich berufen werden muß. 
Wir erkennen an, daß eine solche Bundesrepräsentation eine konstitutionelle 
Verfassung aller deutschen Länder notwendig erheische, damit die Mitglieder jener 
Repräsentation ebenbürtig nebeneinander sitzen. 
Wir verlangen eine allgemeine deutsche Wehrverfassung und werden bean- 
tragen, solche im wesentlichen der nachzubilden, unter der unsere — Preußens — 
Heere in den Freiheitskriegen unverwelkliche Lorbeeren sich errangen. Wir ver- 
langen, daß das deutsche Bundesheer unter einem Bundesbanner vereinigt werde, 
und hoffen, einen Bundesfeldherrn an seiner Spitze zu sehen. Wir verlangen eine 
1) Am 13. März war in Wien die Revolution ausgebrochen, der sogleich Metternich 
und sein Regiment zum Opfer fiel.
	        
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