68 Oie innere Entwicklungsgeschichte des Oreiverbandes.
chill, seit Ott. 1911 Erster Lord der Admiralität, der am
9. Februar 1912 in Glasgow eine große Flotte „für
die Deutschen mehr eine Art Luxus“ genannt hatte,
energisch an der Weiterbildung des Einverständnisses
zum festen Bündnis, erlangte aber anscheinend im
Sommer noch nicht die Zustimmung seiner Minister-
kollegen zu seiner aggressiven Politik. Er bemäntelte
das in seiner großen Flottenergänzungs-Programmrede
vom 22. Juli 1912 damit, daß im Mittelmeere ja doch
nicht mit einer gemeinsamen Gegnerschaft Österreich-
Ungarns und JZtaliens zu rechnen sei Cderen ver-
gangene Geschichte nicht frei von Differenzen gewesen
sei und die niemals eine Zwistigkeit mit England ge-
habt hätten“: Anspielung auf den zweiten Rückver-
sicherungsvertrag Italiens; siehe Guicciardinis Senates-
erklärung vom 24. April 1906). Man muß hierbei
daran erinnern, daß im Mai Premier Asquith und
Marineminister Churchill über Genua zur Besichtigung
der Marineanlagen von Malta und Gibraltar eine
Inspektionsreise nach dem Mittelmeer unternommen
hatten, die berechtigtes Aufsehen erregt hatte, weil
zu den Konferenzen auf Malta auch Lord Kitchener,
der jetzige Kriegöminister, erschien. Der allzu deutsch-
freundliche Kriegsminister, Viscount Haldane, erdbielt
am 10. Juni seinen Abschied. Die ergänzenden Maß--
nahmen Frankreichs traf Delcassé im September durch
eine auffallende Konzentrierung seiner Schlachtschiffe
im Mittelmeer. Und wenn auch die gegen diese Rück-
setzung Brests sofort einsetzende Bewegung vorüber-
gehend Erfolg hatte — fortan galt es als politisches
Axiom: Großbritannien übernimmt den Schutz der
französischen Nordküste, Frankreich den der mediterranen
Interessen Englande. Oaraus resultiert u. a. die
Ablehnung der Neutralitätsanregungen Deutschlands