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Die einen verneinen diese Frage mit der Begründung,
dass sich tatsächlich bereits ein Gewohnheitsrecht zu
Gunsten eines dem Kaiser zustehenden Initiativrechtes
herausgebildet habe und dementsprechend ausgeübt werde.
Nach der Ansicht dieser ist es irrelevant, ob vielleicht
ausser diesem „Gewohnheitsrechte‘“ ein solches Recht
auch aus der Verfassung nachweisbar ist oder nicht.
Andere wieder glauben, das Unpraktische obiger
Frage durch den Hinweis darauf darzutun, dass es doch
jeder Zeit dem Kaiser freistünde, in seiner Eigenschaft
als König von Preussen im Bundesrat durch entsprechende
Instruktion der preussischen Stimmen einen Gesetzes-
vorschlag einzubringen.
Die erstere Ansicht vertreten unter anderen Bornhak')
und R. Fischer.) Sie glauben ein verfassungs-
mässiges Recht der Initiative dem Kaiser zwar absprechen,
ein gewohnheitsmässiges ihm aber zubilligen zu müssen.
Zu den Vertretern der letzteren Ansicht, die sich
über die Frage nach einem kaiserlichen Initiativrecht hin-
wegsetzen und sich mit der Feststellung der Tatsache
begnügen zu dürfen glauben, dass der Kaiser, weil er als
König von Preussen „Mitglied des Bundesrates“ sei, auf
diesem Wege die Initiative ergreifen kann, gehört von
Rönne®) und Arndt. +)
Die Behauptung, dass ein Gewohnheitsrecht in dem
in Rede stehenden Sinne existiert, entbehrt meines Er-
achtens einer ausreichenden Begründung. Denn der
praktischen Wert der in Rede stehenden Frage leugnen. Wenn ich
nun auch, wie im folgenden erhellen wird, der Erörterung der Frage
nach einem verfassungsmässigen Rechte der Initiative des Kaisers
auf dem Gebiete der Gesetzgebung- praktischen Wert beimesse, so
hätte ich mich gleichwohl im entgegengesetzten Falle schwerlich
der Behandlung dieser Frage enthalten. Denn ich bin keineswegs
der Ansicht. dass sich eine theoretische Abhandlung in erster Linie
durch die Rücksicht darauf leiten lassen darf, ob ihre Sätze auch
praktisch verwertbar sind oder nicht.
1) Bornhak im Arch. £f. öffl. R. VIII. S. 456 f.
2) R. Fischer, Das Recht des deutschen Kaisers. Berlin 1895.
3) a.a. 0.1. S. 228.
4) Arndt, Das Staatsr. S. 178.