Full text: Die slawischen Siedelungen im Königreich Sachsen mit Erklärung ihrer Namen.

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Tugend einen hervorstechenden Charakterzug, und wer wollte nicht darin 
ein Zeugnis von allgemein menschlicher Gesittung des Volkes erkennen? 
Eine völlige Gleichstellung aller Bewohner besteht ebensowenig 
wie bei den Germanen; auch bei den Slaven unterscheidet man 
Freie und Unfreie, welch letztere smardi oder smurdi genannt wer— 
den, und besonderes Ansehen, vom Vater auf den Sohn vererbt, 
sowie größerer Besitz hebt aus der großen Masse der ersteren die 
Edeln hervor. Aus der Zahl dieser setzt das Volk sich seine Häupt- 
linge, denen die Verwaltung der einheimischen allgemeinen Ange- 
legenheiten, von Gericht und Götterdienst, Krieg und Frieden ob- 
liegt; und wenn hin und wieder in der Geschichte Namen sorbischer 
Fürsten auftauchen, wie Derwan, Semil, Misiko, Miliduch, Cti- 
mys! oder Cimusclus, Tunglo, Eistibor, so haben wir in diesen 
schwerlich etwas anderes als vom Volke erwählte Heerführer, nicht 
etwa erbliche Fürsten zu erkennen. Ein wirklich einheitliches staat- 
liches Leben hat sich bei den Sorben nicht entwickelt; nur wo die 
Not gebietet, finden sich die Stämme zu gemeinschaftlichem Handeln 
unter einem Gebieter zusammen. 
Edle und niedere Freie erscheinen zur beratenden und beschließen- 
den Volksversammlung oder Landesgemeinde innerhalb einer Supanie, 
zur gromada, und zwar zumeist wohl auf freien Höhen, wie auf 
dem Romanik (Hromadnik) am Corneboh-Berge. Sie vereinigen 
sich auch zu gemeinsamer Beratung innerhalb der Dorfgemeinde; 
dazu beruft der Dorfälteste, indem er von Hütte zu Hütte die heja 
reihum geben läßt, einen Stab, an dessen oberem Ende eine Hand 
mit einem Eisenring sich befindet. Dieses bis heute noch hie und da 
gebräuchlichen Instrumentes gedenkt auch Thietmar in seiner Chronik 
mit den Worten: Audivi de quodam baculo, in cuius Summitate 
manus erat unum in se ferreum tenens circulum, faßt es aber 
irrtümlich als das Symbol eines Hausgottes auf. (Chron. VII, 
S. 242 ed. Wagner.) 
Sache der Freien ist der Waffendienst. Unter der Anführung 
des Stammesoberhauptes ziehen die Edeln persönlich zu Roß in 
den Kampf mit einer nach der Ausdehnung ihres Grundbesitzes sich 
richtenden größeren oder kleineren Schar Berittener, während die 
niederen Freien das Fußvolk bilden. Jene bewehren sich mit Schild, 
Schwert und Speer, diese führen Wurfspieße und Schwerter, Streit- 
äxte, Bogen und Pfeile; auf diese Waffen nehmen sowohl Personen- 
namen, wie auch Ortsnamen vielfach Bezug. 
Den Sippen= und Stammesältesten liegt es ob, den Götter- 
dienst zu leiten, die Heiligtümer zu überwachen und die Opfer dar-
	        
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