Gründen, da einerseits eine genauere Bekanntschaft mit den ört—
lichen und ortsgeschichtlichen Verhältnissen der einzelnen Landschaft
für den Forscher unerläßlich, die eigene Anschauung in dieser Hin—
sicht von besonderer Wichtigkeit ist, und andererseits die notwendige
Arbeitsteilung auf diesem weit ausgedehnten Gebiete nicht wohl
anders sich durchführen läßt. In Wirklichkeit werden wir indes uns
nicht streng und ausschließlich innerhalb der heutigen sächsischen Grenz-
pfähle halten, vielmehr, wo sich nur Gelegenheit bietet, darüber
hinausstreifen und so den innigen Zusammenhang unseres Landes
mit der Nachbarschaft ringsum wahren.
Es ist bekannt, daß das ganze Gebiet unseres Königreichs, wie
überhaupt die ganze Osthälfte Deutschlands während der ersten Hälfte
des Mittelalters, ja zum Teil noch länger hinaus slavisches Land
gewesen ist, und zwar unser Gebietsteil bewohnt von dem Stamme
der Sorben oder Sorbenwenden, die man in Hinsicht auf Art und
Sprache als Mittelglied zwischen Tschechen und Polen, doch enger
an die ersteren angeschlossen, zu betrachten hat. Wann diese Slaven,
ursprünglich Nachbarn der Goten in den weiten Ebenen des heutigen
Rußland, von der oberen Weichsel und Oder her1) in unser Sachsen
eingedrungen sind, läßt sich mit völliger Sicherheit, bei dem gänzlichen
Schweigen gleichzeitiger Nachrichten, nicht bestimmen; indessen wird
man nicht fehlgehen, wenn man die Zeit gegen die Mitte des
6. Jahrhunderts hierfür annimmt, wo der Fall des großen, bis zur
Mittelelbe ausgedehnten thüringischen Reiches nach der Schlacht bei
Burgscheidungen (531) und die Gegnerschaft zwischen dessen Besiegern,
den Franken und Sachsen, die bequemste Gelegenheit zur Besitznahme
des offenen Landes bot. Vielleicht ist sogar die Annahme gestattet,
daß die Eindringlinge bereits um das Jahr 500 sich wenigstens in
den Besitz des Ostteiles des jetzigen Sachsen gesetzt und bis zur Elbe
sich ansässig gemacht haben. Erhebliche Kämpfe mit den alten ger-
manischen Bewohnern können bei dieser mit Weibern, Kindern und
Herden erfolgten Einwanderung kaum stattgefunden haben. Ver-
gegenwärtigt man sich, wie beinahe das ganze Land mit dichtem
Urwalde bestanden war, zu dessen Lichtung namentlich in den späteren
Jahrhunderten des Mittelalters nach dem Zeugnisse von Chroniken,
Urkunden und zahlreichen Ortsnamen gewaltige Arbeit deutscher
Arme erforderlich war, und dessen Reste noch heute unser Land vor
manchem andern auszeichnen, so darf man mutmaßen, daß hier zu
1) Die von mancher Seite aufgestellte Ansicht, die Sorben seien von Böhmen
aus in das Elbland eingewandert, ist mit den Landesverhältnissen schwer vereinbar,
welche für eine Volkswanderung geeignete Straßen nicht dargeboten haben können.