Full text: Sozialdemokratie, Christentum, Materialismus und der Krieg.

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geringeres als um Sein oder Nichtsein des deutschen Wesens drehen 
sollte, vom Standpunkt des Geldverdienens aufgefaßt haben. Wenn 
sie gewissermaßen den Krieg als eine Gelegenheit angesehen haben, bei 
der in einem abgeschlossenen Wirtschaftsgebiet mit begrenzten Sub- 
sistenzmitteln einer Minderheit die Menge der Verbraucher zur Aus- 
plünderung freigegeben sei, wobei obendrein von letzterer noch höhnend 
verlangt wurde, daß sie sich stillschweigend das Fell über die Ohren 
ziehen lassen sollte, damit nicht irgendwelche Klagen über die Un- 
zulänglichkeit der Ermährung die Feinde zur Verlängerung des Krieges 
veranlassen könnten. 
Jedenfalls hat der Krieg die Erscheinung gezeitigt, daß die An- 
hänger einer materialistischen Weltanschauung praktisch eine idealistische 
Gesinnung gezeigt haben, während umgekehrt Anhänger einer idealisti- 
schen Weltanschauung im Gegensatz praktisch im Materialismus ver- 
sumpft sind. 
« Es soll damit aber nicht gesagt sein, daß die draußen von Hause 
aus bessere Menschen waren als die anderen. Da es sich draußen und 
drinnen um Männer desselben Blutes, derselben Anlagen und derselben 
Erziehung handelt, so ist sogar anzunehmen, daß bei umgekehrter 
Gruppierung die idealistische Gesinnung draußen und die materialisti- 
sche drinnen genau dieselbe gewesen wäre. Womit aber nicht gesagt sein 
soll, daß nach den Erfahrungen an der Front die Anschauungen der 
dort gewesenen sich nicht geändert hätten. 
Wenn man nun aus dieser eigenartigen Begriffsverwirrung den 
beteiligten Personen keinen Vorwurf machen darf, so kann man sehr 
leicht zu dem Schluß kommen, daß der Krieg bewiesen hat, daß die 
Menschen bei der gegenwärtigen Wirtschaftsform in ihrer praktischen 
Betätigung im obigen Sinne von Hause aus weder idealistisch noch 
materialistisch sind, sondern daß sie dieses erst durch die äußeren Ver- 
hältnisse werden. 
Mit solchem Schluß stehen wir dann überhaupt vor der Frage, 
wieweit der Mensch die äußeren Verhältnisse oder umgekehrt die 
äußeren Verhältnisse den Menschen machen. D. h. wir stehen damit 
vor der Frage, wieweit der Krieg die Theorien des sogenannten histo- 
rischen Materialismus der Sozialdemokratie widerlegt oder bestätigt hat. 
Ehe wir an die Beantwortung dieser Frage gehen, wollen wir 
uns erst darüber klar werden, was überhaupt philosophisch sowohl unter 
Materialismus und Idealismus als auch unter Monismus und Dualis- 
mus zu verstehen ist. — Man kommt zu diesen Begriffen durch folgende 
Betrachtung: Wenn wir alle Erscheinungen und Geschehnisse in der 
Natur des Menschen vom philosophischen Standpunk' betrachten, so finden 
wir, daß alle zusammenhängenden Geschehnisse in der Zeit im Ver-