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sicht das Materielle das Ursprüngliche, das Primäre und die Form nicht
das Zufällige, sondern das Abhängige oder Sekundäre und inbezug
auf die Zweckmäßigkeit der geformten Materie auch das Ideelle. Nach
solcher Auffassung ist der Idealismus nichts weiter als das Regulativ
des Materialismus.
Jedenfalks steht fest, daß im Menschen ein körperliches Ursachs-
verhältnis vorhanden ist, das im Magen des Menschen wurzelt und ein
geistiges, das im Kopfe seinen Sitz hat, sowie daß beides in irgend
einer wechselseitigen Beziehung zueinander steht, die uns unergründlich
ist und für die wir uns nur eine mehr oder weniger ausreichende Er-
klärung suchen können.
Solche mehr oder weniger ausreichenden Erklärungen sind die
metaphysischen Grundlagen aller Weltanschauungen, von denen die für
uns in Frage kommenden im folgenden ausführlich erörtert werden
sollen. Und zwar soll hierbei die körperliche Ursache mit materialistisch
und die geistige mit idealistisch im obigen Sinne bezeichnet werden,
d. h. soweit es sich nicht um die Darstellung einer Weltanschauung han-
delt, die einen Dualismus voraussetzt.
Der historische Materiallsmus und die Philosophie.
Nach Engels und Marx geht die materialistische Anschauung der
Geschichte von dem Satz aus, daß die Produktion der Güter und nächst
dieser der Austausch der Produkte die Grundlage aller Gesellschafts-
ordnung ist. Daß ferner in jeder geschichtlich auftretenden Gesellschaft
die Verteilung der Produkte und mit ihr die soziale Gliederung in
Klassen und Stände sich danach richtet, was und wie produziert und wie
das Produzierte ausgetauscht wird. Hiernach sind die letzten Ursachen
aller gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Umwälzungen
nicht in den Köpfen der Menschen, in ihrer zunehmenden Einsicht in die
ewige Wahrheit und Gerechtigkeit zu suchen, sondern in Veränderungen
der Produktions= und Austauschweise; sie sind zu suchen nicht in der
Philosophie sondern in der Okonomie der betreffenden Epoche.
Die erwachende Einsicht, daß die bestehenden gesellschaftlichen
Einrichtungen unvernünftig und ungerecht sind, daß Vernunft Unsinn,
Wohltat Plage geworden ist, war ein Anzeichen davon, daß in den
Produktionsmethoden und Austauschformen in aller Stille Verände-
rungen vor sich gegangen sind, zu denen die auf frühere ökonomische
Bedingungen zugeschnittene gesellschaftliche Ordnung nicht mehr stimmt.
Nach dieser Ansicht spielt der Kopf mit seinen geistigen Tätig-
keiten, sowie die Liebe und der Haß seinen Mitmenschen gegenüber bei
den Veränderungen und Umwälzungen politischer, religiöser und wirt-