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mechanische Welterklärung, d. h. für einen philosophischen Materialis-
mus kann es, wie bereits bemerkt, dem Entwicklungsprinzip zufolge
überhaupt keine a priori-Elemente der Erkenntnis geben, und es gehört
auch dieses zu seiner Voraussetzung, daß er die synthetischen Urteile
a priori Kants in solche a posteriori, d. h. Erfahrungsurteile, zu
überführen vermag. ·
Um diese Aufgabe zu lösen, muß man von den einfachen Empfin-
dungen ausgehen, und das sind diejenigen, durch die man zu einer
Körperempfindung kommt. In dieser Beziehung muß aber der Körper
nicht als etwas von drei Richtungen: Länge, Breite und Tiefe ausge-
faßt werden, sondern als eine Form mit Inhalt. Zu einer Form-
empfindung gehören aber Licht= und Bewegungsempfindung, denn die
Lichtempfindung bietet mir nur eine Fläche, aus der erst durch Be-
wegung subjektiv oder objektiv eine Form wird. Um ferner noch auf
den Inhalt zu kommen, d. h. festzustellen, ob sie fest oder flüssig ist, muß
sie betastet werden. Um also etwas als Körper festzustellen, gebrauche
ich drei einfache Empfindungen und zwar die Licht-, Bewegungs= und
Tastempfindung. Da aber diese Empfindungen einzeln und unabhängig
voneinander auf mich einwirken, muß in mir ein Faktor vorhanden sein,
der sie irgendwie und irgendwo als Einheit verknüpft, in der sie sich mir
als Körper vorstellt. «
Welcher Faktor ist es nun, der aus drei einfachen Empfindungen
eine einzige Wahrnehmung macht? Und welcher Faktor ist es ferner,
der von dieser Wahrnehmung einen Begriff bildet und diesen beliebig
zu Gedanken und Urteilen in mir verwendet?
Auch hier ist es die Entwicklungstheorie, die, wenn sie zu Recht
besteht, auf die einzige von mir entdeckte Möglichkeit hinweist, hier
ohne metaphysische Hilfsmittel auszukommen und die materialistische
Weltanschauung zu festigen. Wie bereits weiter oben bemerkt, kann es
nach der Entwicklungstheorie in den verschiedenen Sinnesnerven nichts
spezifisch Psychologisches geben; d. h. z. B., die Vorstellung eines Bildes
geschieht zwar mit Hilfe des Auges, aber nicht im Auge, sondern im
Nervenzentrum; denn wenn die Vorstellung im Auge stattfände, müßte
man mit zwei Augen zwei Vorstellungen haben. Da nun die ver-
schiedenen Sinnesnerven in der Qualität gleich sind, d. h. die gleiche
anatomische Beschaffenheit und physiologische Tätigkeit haben, so kann
auch ihre Unterschiedlichkeit nur in der Wellenlänge und Geschwindig-
keit ihrer Molekularbewegung bestehen. Das heißt also, nicht nur die
zentrifugalen und zentripetalen Neurokyme können ein resultierendes
Neurokym bilden, sondern auch die Sinnesnerven können unter sich ein
resultierendes Neurokym bilden, das in einer resultierenden Empfin-
dung als Einheit zur Rußerung kommt. Die Formempfindung ist da-