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Verbündeten der Russen und zwar die Engländer und Franzosen, die
im Verein mit den Türken im Krimkrieg dem größenwahnsinnigen
Zarismus eine Abfuhr beigebracht haben, von der er sich aus eigenen
Kräften nur sehr schwer wieder erholen konnte.
Für die Russen selbst hatte der Krimkrieg die wohltätigen Folgen.
daß die Leibeigenschaft von Alexander II. aufgehoben wurde. Nicht
aber deshalb, daß nach dem Krimkrieg der Zar an seiner Gottähnlichkeit
zu zweifeln anfing und er den Despotismus für Rußland als nicht mehr
zeitgemäß betrachtete, oder daß er aus Gründen der Menschlichkeit die
Bauern aus asiatischer Willkür einer skrupel= und gefühllosen Feudali-
tät befreien wollte. Zu dieser Maßregel haben allein wirtschaftliche
Gründe getrieben und zwar dieselben, die Peter d. Gr. veranlaßt haben,
sie erst drückend und schwer zur Geltung zu bringen. Peter d. Gr.
bildete die Leibeigenschaft aus, um Mittel und Heere für seine Erobe-
rungspolitik zu bekommen und Alexander II. hat sie aufgehoben, um
Mittel und Heere für dieselbe Politik zu bekommen, denn der wirt-
schaftliche Zusammenbruch konnte nach dem Krimkrieg mit Hilfe der
Leibeigenschaft nicht mehr aufgehalten werden, da letztere bei einer
trägen Masse, die nur durch die Peitsche in Bewegung gebracht werden
konnte und deren Erfolg, durch die Trägheit und Verlogenheit der
Aufpasser stark beeinträchtigt, wenig ergiebig für den Zar als Steuer-
empfänger war.
Wenn zu der Aufhebung der Leibeigenschaft in Rußland auch
wirtschaftliche Gründe getrieben haben, so ist sie doch immerhin nicht
die Folge einer Veränderung der Warenproduktion und Austauschweise,
sondern sie ist eine Folge der veränderten Denkweise einzelner maß-
gebender Köpfe. Sie ist eine Folge der russischen Ausdehnungspolitik,
die aber nicht wie die englische darauf basiert, Absatzgebiete oder Roh-
stoffquellen für eine Warenproduktion zu gewinnen oder einen Über-
schuß der Bevölkerung unterzubringen, sondern die auf reine Länder-
gier, Machtkitzel und Größenwahn zurückzuführen ist.
Bei der Aufhebung der Leibeigenschaft kam die Hälfte der Anbau-
fläche des Grund und Bodens in den Besitz der Bauern, die andere Hälfte
verblieb dem Großgrundbesitz, dem Staat, der Kirche und der Krone.
Diesen Bauernbesitz bekamen aber die Bauern nicht etwa mit den ent-
sprechenden großen aber immerhin erträglichen Lasten als Privateigen-
tum, sondern er wurde ihnen in einer Art kommunistischer Wirtschafts-
weise als Gemeindebesitz zugeteilt. Der Dorfgemeinde wurde das Land
zur Nutznießung überwiesen und von ihr an die einzelnen Mitglieder
verteilt. Der Staat hat dieses System deswegen eingeführt, damit die
Dorfgemeinde solidarisch für die nicht geringen Ankaufskosten und
Steuern haftete.