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schen Gütern die Verfolgung dieser sehr gewinnbringend für ihn war,
so waren die Reformierten, die von seiner Ansicht abwichen, die weniger
von ihm verfolgten, zumal sie sich auch aus Furcht und Selbstsucht und
durch Heuchelei seinem Formenwesen und den Bußerlichkeiten der
Kirche am besten anzupassen verstanden. Immerhin läßt sich nicht
verkennen, daß Heinrich VIII., indem er der römischen Kirche ihren
Reichtum genommen hat, sie in einem Lande wie England politisch
bedeutungslos machte und daß er dadurch dem Fortschritt der weiteren
Reformation die Wege geebnet hat.
Die glatte Abrechnung mit Rom hat es dann auch verhindert,
daß eine unter seinen katholischen Nachfolgern eingesetzte Gegenrefor-
mation für England politisch nicht mehr so folgenschwer werden konnte,
als solche für Deutschland geworden ist, so daß das englische Bürgertum
die zu seiner Entwicklung notwendige politische Freiheit zweihundert
Jahre früher erreicht hat, als dasjenige der kontinentalen Staaten, und
hierdurch war allein die Möglichkeit zu seiner kolonialen Ausdehnung
und damit zu seiner politischen Bedeutung gegeben. Begünstigt wurde
dieses noch dadurch, daß die insulare Lage Englands nicht nur die
Einmischungsgelüste der katholischen fürstlichen Vettern stark beein-
trächtigte, sondern auch frühzeitig die Schiffahrt und den Überseeverkehr
zu einer Existenzfrage für England machte.
Unter der Königin Elisabeth wurde der Katholizismus, der ihr
Thronrecht anzweifelte, wieder weiter verfolgt und seine politische Be-
deutung für England noch nach Möglichkeit vermindert. Hingegen
wurde die Reformation, in der ihr Thronrecht wurzelte, nach der Rich-
tung hin weitergeführt, in der es ihrem Interesse am meisten dienlich
sein konnte. Elisabeth versuchte vor allen Dingen, sich wie ihr Bater
mit der Reformation eine Autorität in geistlichen Angelegenheiten zu
verschaffen, um mit dieser einen politischen Absolutismus zu begründen
und zu festigen. In diesem Sinne wurde unter ihr die englische Hoch-
kirche mit ihrem Bischofssystem und ihrem starren Formenwesen ge-
gründet.
Elisabeth konnte es aber nicht verhindern, daß ein wesentlicher
Teil des Bürgertums, und zwar der wirtschaftlich und politisch bedeu-
tendste, die Reformation gründlicher nahm und in seiner geistigen Be-
freiung auf das Urchristentum im jüdisch-christlichen Sinne zurückging.
Dieses Christentum führte aber nicht nur zum starren Bibelglauben,
sondern auch zu einem religiösen Selbstbewußtsein, das sich mit dem
Episkopalsystem der englischen Kirche nicht befreunden konnte, sondern
mit Erfolg ein Presbyterianersystem erstrebte, das dann, auf die Politik
übertragen, zu einer demokratischen Regierungsform führen mußte, die