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Jedenfalls sind auch hier die Motive idealistischer und nicht ma-
terialistischer Natur. Daß unsere Gegner überhaupt ihre Motive ideali-
stisch aufgefaßt haben wollen, mag auch noch daraus hervorgehen, daß
sie in widerlicher Heuchelei der Welt vorzutäuschen versuchten, daß sie
nur den deutschen Militarismus zerstören wollten, um dem deutschen
Volke selbst die Freiheit zu bringen, nach der es schon so lange lechzt.
Daß gerade unsere Gegner, bei denen, soweit überhaupt von
Freiheit die Rede ist, diese nur eine hohle Phrase sein kann, einem
Lande wie Deutschland, in dem die Menschenwürde in der ganzen Welt
noch am höchsten bewertet wird, die Freiheit bringen wollen, gibt ihrem
Idealismus dabei noch einen Stich ins Komische, der nur mit Un-
wissenheit aus Größenwahn entschuldigt werden kann.
Eine ebenso eigenartige und dabei recht wenig beneidenswerte
Rolle haben auch die Nachkommen des alten Roms, die Italiener, ge-
spielt. Diese haben jahrelang ein Bündnis mit den Zentralmächten
gehabt, aus dem sie den größten Vorteil gezogen haben. Mitten im
Kriege haben sie dieses Bündnis aufgelöst, um sich unseren Gegnern
anzuschließen. Daß am Anfange des 20. Jahrhunderts eine derartige
Treulosigkeit noch möglich war, zeigt allein, auf welch niedriger Stufe
der Sittlichkeit die Menschen von heute noch stehen, selbst wenn ihre
Vorfahren vor zweitausend Jahren schon einen Rechtsstaat hatten, der
mehr oder weniger auch für die heutigen Verhältnisse noch Vorbild=
liches hat. Es zeigt aber auch, wie wenig Einfluß das Christentum
auf die wahre Natur des Menschen selbst in unmittelbarer Nähe des
Zentrums der Kirche auszuüben vermag.
Die Gründe, die die Italiener überhaupt in den Krieg getrieben
haben, mögen ja in erster Linie imperialistischer Natur gewesen sein.
Die Großstaatssucht der Italiener hat es nicht zugelassen, in einem
Ringen aller europäischen Großstaaten nicht mitzumachen, zumal in
einem südländischen Staat, in dem die Bewohner von Natur heißblütig
und leicht erregbar sind, ein Blutrausch viel leichter zur Geltung zu
bringen ist als im Norden.
Daß die Italiener sich aber auf die gegnerische Seite geschlagen
haben, dafür wollen sie selbst ein idealistisches Prinzip maßgebend
machen, nämlich die Befreiung ihrer Landsleute im Tridentino und
Südtirol von österreichischer Herrschaft, in der sie angeblich nach Be-
freiung schmachten. Daß sie damit umgekehrt andere Nationalitäten
in ihre politische Abhängigkeit bringen, in der sie ebensowenig wirt-
schaftlich als kulturell etwas gewinnen können, das spielt bei dem
mangelhaften Rechtsgefühl und dem hohlen Phrasentum der Italiener,
die Treu und Glauben als Attribute der Dummheit ansehen, keine Rolle.
In Wirklichkeit hat die Italiemer aber das Gefühl der Minderwertigkeit