Full text: Sozialdemokratie, Christentum, Materialismus und der Krieg.

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mehr oder weniger gläubige Christen Anhänger einer idealistischen 
Weltanschauung sein wollen, Erscheinungen zu Tage getreten, die die 
schäbigste und widerwärtigste materialistische Gesinnung dokumentierten. 
wenn man den Materialismus im obigen Sinne nimmt, d. h. daß er 
sich in der Gier nach Besitz von irdischen Gütern äußert und zwar 
unter vollständiger Nichtachtung der zukünftigen Abrechnung, die die 
Kirche hierfür in Aussicht stellt. 
Diese unerfreuliche Begleiterscheinung des Krieges läßt sich er- 
klären aber nicht rechtfertigen. 
Erklären läßt sie sich damit, daß der Krieg an sich eine gewisse 
volkswirtschaftliche Umwälzung und Umformung mit sich bringt. Da 
aber der Umfang und die Dauer des Krieges nicht vorauszusehen waren, 
so war auch die Größe und Bedeutung der volkswirtschaftlichen Um- 
gruppierung nicht vorauszusehen. Anderseits fehlte die Erfahrung für 
einen Krieg bei solchen volkswirtschaftlichen Verhältnissen, wie sie das 
Deutsche Reich gegenwärtig umfaßt. Immerhin hat aber ein wesent- 
licher Teil unseres politischen Lebens sich damit befaßt, Vorbereitungen 
für einen solchen Krieg ins Auge zu fassen, und es ist auch gar nicht zu 
übersehen, daß wir in militärischer Beziehung, in Geldheranschaffung 
und im Transportwesen vollständig bereit und auf der Höhe waren. 
Selbst der Entwickelung unserer Landwirtschaft war die Richtung ge 
geben, in der sie sich derartig entwickelt hat, daß sie uns in der Ernäh- 
rungsfrage während des Krieges zur Not vom Auslande unabhängig 
machen konnte. « 
Was aber nach allgemeiner Ansicht nicht auf der Höhe war und 
was zu fast unerträglichen Folgen geführt und einen recht üblen und 
unangenehmen Eindruck hinterlassen hat, das ist die Organisation und 
Anpassung der Gütererzeugung und Güterverteilung während des 
Krieges. · 
Es ist ja, wie bereits bemerkt, zu berücksichtigen, daß für solche 
Fälle bisher die Erfahrung gefehlt hat, und daß der dazu vorhandene 
Beamtenapparat etwas schwerfällig und umständlich war, wogu noch 
kommt, daß letzterer auch durch starke Heranziehung zum Heeresdienst 
sehr verringert war. Anderseits mag man sich auch wohl von vorn- 
herein in der Dauer des Krieges getäuscht haben. " 
Jedenfalls hat dieser Apparat versagt und Erscheinungen ge- 
zeitigt, die für unsere mühsam erworbene Kultur, die auf dem Schlacht- 
felde schwer verteidigt werden mußte, allein die Kehrseite bedeutete. 
E-s ist nicht zu bestreiten, daß während eines Krieges die Bedarfs- 
artikel dafür auf alle Fälle schnell und sicher herangeschafft werden 
müssen, und daß hierbei eine pedantische Sparsamkeit unter Umständen 
verhängnisvoll werden kann. Damit liegt aber immer noch nicht die