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hatte, so lag es nahe, den Bischof von Rom als die bedeutendste Per-
sönlichkeit der Kirche zu betrachten und dessen Urteil in letzter Instanz
als maßgebend für die Kirche anzusehen. Eine historische Berechtigung
für einen solchen Primat wurde daraus hergeleitet, daß der Apostel
Petrus persönlich in Rom gewirkt haben soll und gewissermaßen Vor-
gänger des dortigen Bischofs gewesen ist. Jedenfalls war die Autorität
des römischen Bischofs in Wirklichkeit früher vorhanden, als sie formell
anerkannt wurde.
Erst in der ersten Hälfte des 2. Jahrh. n. Chr. tauchen Spuren
in der Entwicklung des Christentums auf, die weder aus der Tradition
noch aus geschichtlicher Kombination hergeleitet sind, sondern die durch
wissenschaftliche Forschung für uns verbürgt werden konnten, indem sie
in literarischen Dokumenten zu finden sind, deren geschichtliche Zu-
verlässigkeit festzustellen war. Diese Spuren rühren her von den soge-
nannten Gnostikern. Diese selbst haben zwar auch noch keine Schriften
hinterlassen, ihre geistige Tätigkeit für die Entwicklung des Christen-
tums läßt sich aber zweifelsfrei nachweisen aus den Schriften ihrer
Gegner, von denen sie leidenschaftlich bekämpft worden find.
Von den Gnostikern wird dem Basilides, Marxion, Valentinus
u. a. auch die erste Sammlung neutestamentlicher Schriften zuge-
schrieben. Ihre Bedeutung hat aber darin gelegen, daß sie, worauf schon
ihr Name hindeutet, in dem oben skizzierten Sinne in die kirchlichen
Lehren philosophische Erkenntnis hineinzubringen versuchten. Sie
wollten damit das Christentum zu einer metaphysischen Offenbarung
im Sinne griechischer Philosophie machen, d. h. fie wollten der christ-
lichen Mythenbildung dadurch entgegenwirken, daß sie den christlichen
Glauben, der damals bereits hohe Anforderungen an die Gedanken-
losigkeit und Harmlosigkeit der Gläubigen stellte, durch ein christliches
Wissen zu rechtfertigen versuchten.
Neben und nach den Gnostikern find es vor allen Dingen die
christlichen Apologeten, die versucht haben, die Lehren des Christentums
weiterzubilden, wenn auch schon mehr dogmatisch als wissenschuftlich,
obwohl sie ihre Aufgabe in der Hauptsache darin gesucht haben, das
Christentum gegen die heidnischen Philosophen zu verteidigen, wobei
sie am alten Testament als der entscheidenden Offenbarungsurkunde
Gottes festgehalten haben. Von diesen Apologeten sind es besonders
Justin und Athenagoras, die für die Weiterentwicklung des Christen-
tums von Bedeutung sind, da bei ihnen die Lehre von der Dreieinigkeit
Gottes ihren Anfang nimmt.
Beide waren mit der Philosophie Platons und der Stoiker ver-
traut und mehr oder weniger Anhänger derselben. Da sie nach dieser
einen Gott nach dem alten Testament nur im Sinne des Alexandriners