Erste Sonder-RKusgabe.
Ostdeutsche Volkgzeit
General-Anzeiger für Ostpreußen ——
Ein H
Insterburg, Sonnabend, den 12. September 1914.
Wer den Jubel heute sah, als die erste deutsche Ulanenpatrouille wieder auf unsern Markt
ES
ura unfern braven Rriegern!
sprengte, wie wir uns alle die Hände reichten mit innigem, hellem Blick, der vergißt das nicht wieder
in seinem Leben.
Hinter uns liegen gut 21 Wochen der Knechtschaft; nicht so graufam, wie wir anfangs fürchteten —
wir wollen gerecht sein auch dem Feinde gegenüber, der seine Manneszucht hielt —, aber doch
lastend wie Blei auf unserer Seele, nie ohne Gefahr für den Einzelnen; und wie Mehl-
tau wars gefallen auf unsern frischen Mut, auf unsere Hoffnung. Von aller Welt, so vielfach auch
von unsern nächsten Lieben abgeschnitten, in allem Wesentlichen angewiesen anf dürftige, für uns
künstlich zugeschnittene Nachrichten aus dem weiten Kriegsfelde, mußten wir den langen Hoffnungsfaden
spinnen in die Zukunft. Und wenn dann hin und wieder der Schleier ein wenig sich zu lüften schien,
wenn bald von den raschen glorreichen Siegen an der Westgrenze des großen Vaterlandes, bald von
dem zähen blutigen Ringen im Westen und Süden unserer engeren Heimat eine dunkle Kunde kam,
wie haben wir dankbar das genossen, dankbar und doch immer voll Sorge ob der helle Schein stand-
hielt, ob er nicht gar zu bald wieder verschlungen würde durch eine düstere Wolke! Und nun heute
nach den bangen Stunden der Erwartung, als der dumpfe Donner der Geschütze und zuletzt daneben
der hellere Ton des Kleingewehrfeuers uns immer näher rückte, als schließlich der Kampf an unsere
Tore drang, wie still waren die Straßen, wie zagten wir da dem Erlösungswort entgegen, und wie
hell klang schließlich der Siegesjubel!
Wer in diesen Wochen seiner Pflicht getreu stand hielt, der durfte in der schweren Zeit nicht nur,
wie sonst die Freuden, er durfte auch einmal die Sorgen mit seinen Mitbürgern teilen, er konnte auch
so viel ungeahnte Tatkraft, so viel selbstlose, nie ruhende Arbeit für das Wohl unserer Stadt be-
wundern. Wir haben alle gelernt; der Krieg hat auch uns alle in die Schule genommen: Mannes-
mut und ruhiges schlichtes Gottvertrauen werden wir nie wieder gering achten, und ein festes Zu-
sammenschließen zu edlem, tüchtigem Zweck werden wir schätzen. Eins aber ist doch das Schönste:
Unsere eignen Väter, Brüder, Söhne sind es, die uns den Tag der Freiheit wieder gaben, und, wenn's
auch nicht ohne schwere Opfer ging, die alte Tüchtigkeit und Tapferkeit unseres Heeres hat nach Gottes
Fügung doch schließlich wieder die Flut der Feinde geworfen; auch bei uns im Osten wird bald keine
Russenhand mehr ein Fleckchen deutscher Erde festhalten. Drum aus tiefem Herzen und mit vollem Klang:
Ein Hurra unseren braven Kriegern!
Gottes Segen mit unserm Vaterland!
Insterburg, den 11. September 1914.
Dr. O. Lücke.
Bekanntmachung.
Meine lieben Mitbürger!
Aus der Begeisterung, mit welcher Sie gestern unsere draven Truppen bei ihrem Einzuge in unsere liebe Vaterstadt begrüßt haben habe ich ersehen, welche
Freude Sie empfunden haben, endlich oon der russischen Knechtschaft erlöst zu sein.
Ich erwarte von der Bürgerschaft, daß sie auch weiterhin die Ordnung nach allen Richtungen hin ausricht erhalten witd und halte ce für notwendig, zu diesem
Zwecke das disherige Verbot des Verkaufs alkoholischer Geiränke an die Truppen und Zioilbeoöllerung kreng aufticht zu erhalten. Semiliche Destillalionen und Restaura-
donen #üssen geschloffen bleiben.
Insterburg, den 12. Schtember 1914
Der Magistrat
3S U Pr. Merfrenné=
Buchdruckerel der Osideufschen Volkszenung in Insterburg