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jedoch eine Kränklichkeit oder Krankheit betrifft, darüber sell sie
ihre Kunden an einen Arzt verweisen, und diesem auf Befragen
offenbaren, was darauf Bezug hat, um, soviel es möglich ist,
allen Schaden zu verhüten, welchen die oft übertriebene Scham-
haftigkeit solcher Personen verursachen könnte.
8. 2.
Vorschriften des Verhaltens der Hebammen bei Ge—
bärenden.
Wenn eine Hebamme, es sey am Tage oder zur Nachtzeit,
zu einer Gebärenden gerufen wird, so muß sie sich ohne Ver-
zug zu derselben begeben, ihren Gebärstuhl und ihr Kästchen
mitnehmen, und die nöthige Hilfe, genau so wie sie gelehrt
worden ist, ohne jemals davon abzugehen, oder nach ihren
eigenen Meinungen und Ansichten zu handeln, vorsichtig und
herzhaft, nie aber voreilig und verwegen leisten.
Dabei sind folgende Punkte zu beobachten:
1) Vor allem hat sich die Hebamme zu überzeugen, ob auch
die Zeit zur Geburt, nach der Rechnung der Schwanger-
schaft, nach dem Zustande der Geburtstheile, und nach
den beginnenden Geburtsschmerzen wirklich eingetreten ist.
2) Die Hebamme hat deshalb durch äußerliche Untersuchung
sich von dem Zustande des Kindes und der Gebärmutter,
und durch innerliche Untersuchung von dem Zustande des
Muttermundes zu unterrichten, zu welch letzterem Behufe
die untersuchenden Finger jedesmal mit reinem Oele, Fett
oder frischer Butter zu bestreichen sind.
3) Wenn die Zeit der Geburt wirklich vorhanden ist, so soll
die Hebamme sorgen, daß der Mastdarm und die Urin-
blase der Schwangeren entleeret werden.
4) Bei dem ganzen Geschäfte der Niederkunft ist jede über-
flüssige, theils unanständige, theils durch Erkältung der
Theile schädliche Entblößung der Kreißenden sorgfältig zu
vermeiden.
5) Nie darf die Gebärende auf irgend eine Art zur Geburts-
Arbeit von der Hebamme zu frühe oder zu gewaltsam
angestrengt, oder darin übertrieben, vor der vollkomme-
nen Oeffnung des Muttermundes zum Durchgange des
Kindes in den Gebärstuhl genöthigt, oder zur ernstlichen
Verarbeitung der Wehen angehalten werden.