Full text: Das Civil Medizinal Wesen im Königreich Bayern. Erster Band. Die private Medizin. (1)

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chen bei Beurtheilung solcher Dispensationsgesuche verfahren 
werden soll. 
Die freie Selbstbestimmung in der Wahl des Berufes ist 
eines der wichtigsten, in dem verfassungsmäßigen gleichen Rechte 
zum Staatsdienste und in der Gleichheit der Gesetze und vor 
dem Gesetze wohlbegründeten Rechte des Bayer'schen Staats- 
angehörigen. Ebenso ist dem Grundsatze der Lernfreiheit in 
so weit unbedenklich Rechnung zu tragen, als bezüglich der erst 
in späteren Jahren zu dem Studium der höheren Medizin über- 
tretenden Candivaten alle jene Kenntnisse zur vollen Geltung 
zuzulassen sind, welche beharrlicher Fleiß und außergewöhnliche 
Anstrengung auch ohne den Lehrvortrag vom Catheder, etwa 
unter besonders günstig gestalteten Umständen, bei langjährigen 
praktischen Uebungen unter tüchtiger ärztlicher Leitung, in Folge 
früher durch Armuth gehemmter, oder aber erst später ent- 
wickelter ungewöhnlicher Anlagen u. s. w. zu erwerben vermag. 
Es darf demnach ausgezeichneten Individuen aus dem 
ärztlichen Unterpersonale der Zutritt zu den höheren ärztlichen 
Studien nicht versagt werden, und es ist in besonderen Ver- 
hältnissen jedes einzelnen Falles durch Dispensation von der 
in der allerhöchsten Verordnung vom 30. Mai 1843 vorge- 
schriebenen Zeit Rücksicht zu geben. 
Dagegen fordert die hohe Wichtigkeit des ärztlichen Be- 
rufes, welcher auf Wohl und Wehe der einzelnen wie der 
Familien in weiten Kreisen entscheidenden Einfluß übt, daß die 
der Zulassung zur Ausübung dieses Berufes vorausgehenden 
Befähigungs-Nachweise mit größter Strenge gefordert werden, 
und auch nicht von einer der einmal zur ärztlichen Bildung als 
nothwendig erkannten Disciplinen Dispensation eintrete. 
Weder von der philosophischen Schluß= noch von der me- 
dicinischen Admissionsprüfung, weder von dex theoretischen, noch 
von der Schlußprüfung der Mediziner erscheint paher für das 
ärztliche Unterpersonal eine Dispensation zulässig; vielmehr ist 
dasselbe allen diesen Prüfungen mit vollem Ernste und ihrem 
ganzen Umfange nach zu unterwerfen, da nur ganzbefähigte und 
vollkommen durchgebildete Candidaten zur ärztlichen Praxis ad- 
mittirt werden dürfen. 
Hinwieder kann aber in den einzelnen Stadien der medizi- 
nischen Studien jene Verkürzung gestattet werden, welche nach
	        
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