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ein schablonenhaftes Verfahren in Frage kommen kann. So-
dann aber ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, daß
das gesamte Einkommen ein weniger guter Steuerverteilungs-
maßstab ist, als der um den Mietzins gekürzte Einkommens-
betrag, da, wie nachgewiesen, von kleinen Einkommen die Aus-
gaben für Miete sehr viel höhere Quoten (%) ausmachen als
von großen.!) — —
Nachdem bisher erörtert worden ist, was das sächsische
Gesetz als Roheinkommen auffaßt, ergibt sich nun die weitere
Aufgabe, darzulegen, wie aus dem Roheinkommen das Rein-
einkommen, das den Gegenstand der Besteuerung bildet, ge-
wonnen wird.
Das Gesetz bestimmt ($ 15, Ziff. 1): Vom Roheinkommen
sind abzuziehen: „Die auf Erlangung, Sicherung und Erhal-
tung dieser Einnahmen (d. h. des Roheinkommens) verwendeten
Ausgaben, sowie etwaige Schuldzinsen, auch sofern die letz-
teren zu den soeben bezeichneten Ausgaben nicht gehören?)
oder planmäßig über mehr als 30 Jahre sich erstreckende
Amortisationsraten zur allmählichen Tilgung der Schuld mit
in sich schließen.“
Zunächst sei bemerkt, daß die Worte ‚auf Erlangung,
Sicherung und Erhaltung dieser Einnahmen verwendeten Aus-
gaben“ nur eine Umschreibung des Begriffes ‚„Produktions-
kosten“ sind, wie dies auch aus der Entstehungsgeschichte des
Einkommensteuergesetzes klar hervorgeht. °)
Im einzelnen aber sind nach dem Gesetze als Produk-
tionskosten vom Einkommen abzuziehen (8 15, Ziff. 3):
a) Die Beiträge zu der für Rechnung der Staatskasse
eingehobenen Grundsteuer und zur Landes-Immobiliar-
brandkasse;
b) die von den Beitragspflichtigen gesetz- oder vertrags-
—
_ .
1) Das weitere über die Trage, ob der Mietwert mit veranschlagt oder
der Mietzins vom Einkommen abgezogen werden soll, findet sich bei
Fr. J. Neumann, Die persönlichen Steuern vom Einkommen, S. 190—207 —
wo jener Gegenstand sehr eingehend untersucht worden ist. Vgl. auch
Ad. Wagner in Schönbergs Handb. der Polit. Ökonomie, 4. Aufl. 3. Bd. 1
S. 434 Anmerkung.
?) Wenn alle Schulden abzuziehen sind, so erklärt sich dies daraus,
daß alle Schulden im Grunde nicht Schulden von Sachen sind, sondern nur
solche einer Person, und deshalb entspricht es dem Wesen der allge-
meinen Einkommensteuer als einer persönlichen Belastung des Ein-
kommens, alle Schulden zu berücksichtigen.
®) Der Ausdruck „Produktionskosten“ war gebraucht in $ III des
1871/73 von der Deputation der II. Kammer ausgearbeiteten Entwurfs und
wurde später in den 88 1 und 13 des Entwurfs vom 8. November 1874
durch die oben angeführten Worte ersetzt. Dabei wurde aber ausdrücklich
erklärt, daß diese nur ein anderer Ausdruck für „Produktionskosten“ seien
(vgl. L.-A. 1871/72, 3. Abt. Beil. III S. 478; L.-A. 1873/74, Dekrete III S. 27,
28, 34; Berichte der II. Kammer I S. 471; Jahrb. des Oberverwaltungs-
Gerichts II $S. 187).