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richts, in verdienstlicher Weise hingewiesen hat.!) Die Arbeiter
können einen festen, das ganze Jahr hindurch sich gleich-
bleibenden Lohn beziehen, aber auch auf Stücklohn oder auf
je nach der Jahreszeit wechselnde Lohnbezüge angewiesen
sein. Im ersteren Falle werden sie in Sachsen nach dem Stande
zur Zeit des Katasterabschlusses, im letzteren nach den Be-
zügen des vorletzten Jahres vor dem Katasterabschluß einge-
schätzt, da das der Aufstellung der Haus- und Lohnlisten vor-
ausgegangene Kalenderjahr zugrunde zu legen ist und die Auf-
stellung dieser Listen wieder im Jahre vor dem Katasterab-
schlusse erfolgt. Wenn nun jemand in dem maßgebenden vor-
letzten Jahre hohe Löhne erhalten hat, später jedoch z. B.
infolge einer wirtschaftlichen Depression auf nur niedrige Be-
züge angewiesen war, so wird er dennoch nach Maßgabe jener
höheren Einkünfte des vorletzten Jahres zur Steuer herange-
zogen, wenn er auch vielleicht kaum so viel übrig hat, daß er
sich und die Seinigen notdürftig ernähren kann. Diese hierin
liegende Härte kann unter Umständen sogar noch empfindlich
gesteigert werden. Hat nämlich der Arbeiter vor Beginn des-
jenigen Steuerjahres, in welchem eigentlich die früheren nied-
rigeren Lohnbezüge für die Besteuerung maßgebend sein soll-
ten, Arbeit gefunden, die feststehende Einkünfte gewährt, so
werden nur die letzteren in Ansatz gebracht und die niedrigeren
Einkünfte des vorhergehenden Jahres bleiben unberücksichtigt.
Daher dürfte der Wachlersche Hinweis auf die dringende Not-
wendigkeit eines Spezialgesetzes, nach welchem die Lohn-
arbeiter lediglich nach den Ergebnissen des letzten Kalender-
jahres vor dem Steuerjahre (eventl. nach den Ergebnissen der
letzten 12 Monate vor Aufstellung der Lohnlisten) zu besteuern
wären, der höchsten Beachtung wert sein.
Endlich lassen sich noch Bedenken gegen die Berechnung
des Einkommens nach dreijährigem Durchschnitte bei den
Einkünften aus landwirtschaftlichem Selbstbetrieb sowie Han-
del und Gewerbe geltend machen. So empfehlenswert die drei-
Jährige Durchschnittsberechnung bei den besonders schwanken-
den Bezügen zur Wahrung einer gewissen Stetigkeit des Steuer-
aufkommens im Staatshaushalte erscheint, so stehen doch an-
dererseits diesem Verfahren nicht unerhebliche Schattenseiten
gegenüber. Wenn der Grundsatz „gerechten Opferausgleichs“
im Bereiche der direkten Steuern als oberster Leitsatz gelten
soll, so ist unter diesem Gesichtspunkte jene Durchschnitts-
berechnung zu verwerfen. Denn wenn das Einkommen einen
relativ sehr guten Maßstab für die Leistungs- und Steuerfähig-
keit der einzelnen bietet, so kann nur das Einkommen der
Gegenwart, d. h. ausschließlich dasjenige des letzten Jahres
ı) Wachler, Ein fünfundzwanzigjähriges Gesetzesiubili 1
er, ve sjubilium, in der
Deutschen Juristen-Zeitung No. 22, Jahre. 1903, S. 510. ”