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Jedoch fand dieser Regierungsvorschlag seitens der Stände
keine Annahme. Die geltend gemachten Bedenken waren teils
prinzipieller Natur, teils waren sie Zweckmäßigkeitsgründen
entsprungen.!)
Nur bezüglich des landwirtschaftlichen Nebengewerbes ist
nach langen Verhandlungen die Gesetzesbestimmung zustande
gekommen, daß jeder, der Fischerei, Handelsgärtnerei, sowie
über den gewöhnlichen Umfang des Wirtschaftsbetriebes hinaus
Viehzucht und Viehmast auf seinem eigenen oder auf gepach-
tetem Grund und Boden betreibt, neben der Grund- oder Pächter-
steuer auch noch eine Gewerbesteuer zu entrichten habe.?) —
Die Befreiung des landwirtschaftlichen Gewerbebetriebes
von der Gewerbesteuer bildete bis zur Steuerreform im Jahre
1878 als eine vermeintlich ungerechtfertigte Begünstigung des
Grundbesitzes einen vielumstrittenen Punkt in der sächsischen
Grundsteuergeschichte. Mit der Einführung der allgemeinen
Einkommensteuer wurde natürlich diese Streitfrage gegen-
standslos, da nunmehr das gesamte Einkommen des Landwirts,
mithin nicht nur die Grundrente, sondern auch die etwa auf
das Betriebskapital und den Arbeitsverdienst des Unternehmers
zurückzuführenden Bezüge belastet wurden.
Und doch dürfte nach sorgfältiger Erwägung aller Gründe
für und wider aus dem bisher Erörterten zu schließen sein, daß
die Absicht des Gesetzgebers dahin ging, mit der Grundsteuer
eine Abgabe zu schaffen, die lediglich die Grundrente belasten
sollte.
1) In dem Berichte z. B. des 3. Ausschusses der II. K. über das Königl.
Dekret, die Ergänzung und Abänderung der Gewerbe- und Personalsteuer
betr., vom 23. Jan. 1850 (L.-A. 1349/50, 3. Abt. 1. S. 174) wurde aus-
geführt: „In erster Beziehung wird in den Vordergrund gestellt, daß das
Grundsteuersystem in seiner Grundlage erschüttert werde, wenn man das
Betriebskapital, die Arbeitsrente und einen aus veränderter Bodenbenutzung
resultierenden Nebengewinn zur Besteuerung ziehe. Denn es liege dem
Grundsteuersysteme die Besteuerung des Reinertrags zugrunde, durch Be-
steuerung des Betriebskapitals und der Arbeitsrente setze man aber an
die Stelle dieses Prinzips die Besteuerung des Rohertrags; ferner sei die
Abschätzung darauf gegründet, unter Benutzung wissenschaftlicher Hilfs-
mittel die Produktionskraft des Landes zu ermitteln und aus dieser unter
Berücksichtigung der sonst vorhandenen begünstigenden oder benach-
teiligenden Verhältnisse, soweit letztere nicht bloß vorübergehender
Natur sind, einen Normalertrag abzuleiten, der selbst bei mittlerer Wirt-
schaftseinrichtung erreichbar erscheint; man habe daher auch die Grund-
steuereinheiten als etwas wenigstens für längere Zeit Festes hinstellen
wollen, um der willkürlichen Bodenbenutzung durch die Furcht, bei Er-
zielung eines erhöhten Gewinnes sogleich durch erhöhte Steuer getroffen
zu werden, keine Fesseln anzulegen, übrigens aber dem landwirtschaft-
lichen Besitz eine Garantie gegen Preisschwankungen und Entwertung zu
geben, welche eine Veränderlichkeit der starken Grundbesteuerung not-
wendig im Gefolge führt ....... “
2) Vgl. 8 37 des Gewerbe- und Personalsteuergesetzes von 1850. Ferner
Bericht der 3. Deputation der II. K. des Landtags 1863/64 (L.-A. 1863/64,
Beil. zur 3. Abt. 1. Bd. S. 397 ff.).