Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 113 
bildung aufrichten könne u. s. w. Teilweise waren dies allerdings cap- 
tationes benevolentiae, allein Wahres liegt darin. Er ermahnte zu einer 
allgemeinen deutschen standesherrlichen Genossenschaft. Ich teilte ihm die 
desfallsigen Versuche und Hindernisse mit. 
Der König empfing mich mit der gewohnten Freundlichkeit, dankte 
mir für meine Teilnahme, und daß ich sogleich gekommen sei. Ich bat 
um Entschuldigung, die Zahl der Audienzen noch um eine vermehrt zu 
haben u. s. w. Er war noch angegriffen und müde und setzte sich auf 
einen Lehnstuhl, ich ihm gegenüber an seinem Schreibtische. Er sprach 
erst von Berlin, vom Herrenhaus, vom Reichsrat in München u. a. Dann 
sagte er: „Sie erinnern sich, als ich Sie voriges Jahr hier sah, da waren 
alle deutschen Regierungen mit Preußen einverstanden, !) man hatte Ver- 
trauen zu mir. Jetzt ist das anders geworden, es ist viel Mißtrauen und 
gibt allerlei Dissense.“ Wir kamen dann auf die kurhessische Frage zu 
sprechen, die er mit großer Sachkenntnis behandelte. Hier seien Oesterreich 
und Bayern am schwierigsten. Er verkenne allerdings nicht, daß es ihm 
leichter gewesen sei, einzulenken, da seit dem Umsturz der hessischen Ver- 
fassung in Preußen ein Regierungswechsel stattgefunden habe, in Oester- 
reich, wo weder der Kaiser noch der Minister gewechselt hätten, sei die 
Aenderung der Politik in der kurhessischen Frage schwieriger, allein es 
gebe nun einmal keinen Weg als den der Umkehr. Schließlich dankte er 
mir noch einmal und ich verabschiedete mich. 
Aufzeichnung aus dem Jahre 1862. 
Es gibt unter den deutschen Staatsmännern und Politikern viele, 
welche der Bewegung, welche in neuester Zeit das deutsche Volk erfaßt hat, 
die Berechtigung absprechen, indem sie meinen, der politische Zustand Deutsch- 
lands, wenn er auch manches zu wünschen übriglasse, sei doch im ganzen 
zufriedenstellend, und nur böser Wille vermöge das Gute zu verkennen, 
welches uns die bestehende Gesamtverfassung biete. Sie vergleichen Deutsch- 
land, wie es heute ist, mit dem Deutschland des Reichsdeputationshaupt- 
schlusses und finden, daß denn doch die Föderativorganisation des Deutschen 
Bundes, wie sie aus den mühsamen Verhandlungen des Wiener Kongresses 
hervorgegangen, der Desorganisation des Deutschen Reiches weit vorzuziehen 
sei. In diesem Punkte mögen sie wohl recht haben; denn auch die ent- 
schiedensten Mängel in unfrer heutigen Militärorganisation sind Vorzüge 
im Vergleich mit den Römermonaten und Kreiskontingenten des Deutschen 
Reiches; auch die beklagenswertesten Beschlüsse des Bundestags sind weis- 
heitsvolle Kraftstücke im Vergleich mit den Verhandlungen des Regensburger 
  
1) Bei der Fürstenversammlung in Baden im Juni 1860. 
Furfst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. 1 8
	        
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