Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

116 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
1. weil sich die Bauern und Bürger vor den Lasten der neuen Militär- 
organisation fürchten und glauben, daß nur die Demokraten frech genug 
sein würden, den Wünschen des Königs in betreff der Militärorganisation 
entschieden entgegenzutreten, 
2. weil das Ministerium den Landräten die Einwirkung auf die 
Wahlen verboten hat, wodurch diese dann in die Hände der demokratischen 
Kreisrichter fielen, 
3. weil die Kreuzzeitungspartei eher rote Demokraten als Liberal-Kon- 
servative zu haben wünschte, ihre Teilnahme also eine sehr zweifelhafte blieb. 
In Oppeln traf ich Regierungsrat Rudloff, 1) mit dem ich nach Breslau 
fuhr. Seine Ansichten gingen ungefähr auf dasselbe hinaus, was ich soeben 
gesagt habe. Ich brachte den Tag mit Rudloff in Breslau zu, erfuhr von 
ihm manches über die gegenwärtige Situation, sprach ihn auch über mein 
Herrenhausprojekt und erhielt den Rat, mit Geheimrat von Obstfelder in 
Berlin zu sprechen. Abends traf ich mit Viktor und Fürst Karl Lichnowsk: 
auf der Eisenbahn zusammen und kam den 14. Morgens in Berlin an. 
Hier wurden während des Tages die nötigen Meldungen gemacht, in der 
„Maison dorée" zu Mittag gegessen und dann der Abend auf dem Kasino 
beschlossen. Die übrigen Tage wurden mit verschiedenen Visiten hingebracht. 
Zwei Abende war ich bei der Königin zum Tee. Ich saß den ersten Abend 
am Teetisch der Königin zwischen Frau von Lazareff und Hugo, ) den 
zweiten zwischen der Königin und Frau von Lazareff. Am Sonntag den 
19. war Ordensfest. Die Eingeladenen fanden sich um ½ 12 Uhr in der 
neuen Schloßkapelle ein, die mit einer für protestantische Kirchen überreichen 
Pracht ausgestattet ist. Es wimmelte von Dekorierten aller Art. Rechts 
vom Altar waren Fauteuils für die königliche Familie aufgestellt, links 
gegenüber waren die Sitze der Ritter des Schwarzen Adlerordens. Auf 
den übrigen Sitzen nahmen nach der Rangordnung die übrigen Ritter 
Platz. Die königliche Familie erschien um 12 ½ Uhr, die Damen in Schlepp- 
kleidern. Nun begann der Gottesdienst nach der protestantischen unierten 
Liturgie, die Gesänge des Domchors vortrefflich vorgetragen. Die Predigt 
hielt ein Württemberger, Hofmann. Sie war taktvoll und inhaltreich und 
sehr gut vorgetragen. Er sprach von der Klarheit, Entschlossenheit und 
Hingebung an Christus als den drei Eigenschaften, die den Ritter zu zieren 
hätten. Nach dem Gottesdienst war großes Diner von fünfhundert Gedecken. 
Ich saß zwischen zwei Hofdamen, Gräfin Brandenburg und Gräfin Schwerin. 
Neben letzterer saß der Feldmarschall Wrangel, der gegen das Dessert zu 
immer heiterer und lärmender wurde. Diese Stimmung wurde auch unter 
  
1) Mit diesem war der Fürst als Auskultator in Koblenz bekannt geworden. 
2) Fürst Hugo zu Hohenlohe-Oehringen, Herzog von Ujest (1816 bis 1897).
	        
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