Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 121 
Nach einigen weiteren Aeußerungen über mich stand sie auf, sprach 
noch in einem fort, indem sie nach der Tür ging, drehte sich dann an der 
Tür um, gab mir die Hand, die ich respektvoll mit meinen Lippen berührte, 
und verschwand. 
Paris, Winter 1862. 
Aus einem Briefe an die Prinzessin Elise. 
Paris, 22. Februar 1862. 
..Ich gestehe dir, daß ich mich nicht besonders hier unterhalte. 
Das eigentliche Amusement existiert für mich nur insofern, als es Aus- 
ruhen von der Arbeit ist. Wenn man aber in meinem Alter keine Arbeit 
hat, so langweilt man sich. Mein Interesse ist nicht hier, sondern zu 
Hause. Was ich hier sehe, erfüllt mich insofern mit Aerger, als ich eine 
große Nation mit einem nationalen Zentrum, großen, weltumfassenden 
Interessen, Plänen und Gedanken erblicke, während daheim Uneinigkeit, 
Zersplitterung nationaler Kräfte, Pläne und Gedanken herrscht, und 
Deutschland nicht die Stellung einnimmt, die es in einer Zeit, wie die 
unfrige, einnehmen sollte. Wir werden hier angesehen wie die Polen, 
wie eine überlebte Nation, von deren Uneinigkeit man Nutzen zieht, und 
deren Reste man aufzuzehren sich anschickt. Das trägt dazu bei, mir 
den Aufenthalt zu verbittern. Ich bin nun einmal zu sehr Politiker, um 
nicht alles, was ich sehe, damit in Beziehung zu setzen 
Paris, 23. Februar. 
Die Predigt, welche ich heute in der Kirche St. Klothilde gehört habe, 
war in mehrfacher Beziehung interessant. 
Ich ging mit der Fürstin Wittgenstein schon um 2 Uhr hin, obgleich 
die Predigt erst um 3 ¼ Uhr anfing. 
Die Kirche ist in schönem gotischen Stil gebaut und erst im Jahre 
1857 fertig geworden. Die Glasmalereien sind mittelmäßig. Die Orgel 
hat einen sehr schönen Ton, doch wurde sie während der Vespergesänge 
zu sehr im Pastoralstil gespielt, die Musik war eine Art Schweizerarie 
mit Variationen. Der Prediger Pater Felix (Jesuit), ein kleiner Mann von 
mittleren Jahren, vielleicht dreißig, vielleicht vierzig Jahre alt. Er spricht 
sehr deutlich, mitunter etwas theatralisch, aber im ganzen ausgezeichnet. 
Sein Thema war die Einladung zu Beiträgen zu einem Karmeliter- 
kloster, welches in Meaux gegründet werden soll. Er beantwortete die 
Frage, wozu die Klöster überhaupt und die Karmeliterinnen insbesondere 
nötig sind, durch Hinweisung auf den Egoismus unsrer Zeit, der sich 
überall geltend mache, der die Familie zerstöre und die Staaten zerstöre. 
„L’ôgoisme dans I’Etat,“ sagte er unter anderm, „'est la tyrannie en
	        
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