Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

150 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
alle liberalen Strebungen hatte, die erst in unsrer modernsten Zeit zum 
Durchbruch gekommen sind. Seiner milden Lebensphilosophie war es ge- 
geben, Schroffheiten abzustumpfen, Gegensätze zu vermitteln. Ob die 
Gegensätze in der eignen Brust ihn nicht oft schmerzlich erschütterten, hat 
er in undurchdringliches Schweigen gehüllt. Mir erschien seine unwandel- 
bare Ruhe nur eine Folge der Selbstüberwindung nach langen Seelen- 
kämpfen. 
Er nahm sich mit väterlicher Fürsorge seines jüngsten Bruders Kon- 
stantin an, der zur Zeit des Todes der geliebten Mutter kaum dem Knaben- 
alter entwachsen war. Er und seine Frau vermittelten auch unfre Heirat, 
und Marie freute sich, eine Cousine in ihren engeren Familienkreis zu bringen. 
Als solche hat sie mich stets bevorzugt. Sie kamen auch alle Jahre, uns 
als junges Ehepaar zu besuchen. Die damals so exklusive, vornehme und 
glänzende Wiener Gesellschaft übte auf meine Schwägerin einen unwider- 
stehlichen Reiz. Ihr Mann war weniger dafür empfänglich, aber wie 
immer wollte er kein Störenfried sein und beteiligte sich mit heiterer 
Resignation an allen prunkvollen Festen, auf denen die schöne Erscheinung, 
der kostbare Schmuck seiner geliebten Fürstin Aufsehen erregten. Oft be- 
gleitete er mich in eine Vorlesung, die mich interessierte, während die 
beiden übermütigeren Ehehälften sich in einer Offenbachschen Operette 
besser unterhielten. In den Jahren 1866 bis 1870 änderten sich diese 
harmlosen Beziehungen, denn Chlodwigs bekannte politische Gesinnungen 
und sein Erlaß gegen das Konzil erregten großes Mißfallen in Wien. 
Das machte meinem Mann große Sorgen, der selbst seines Bruders poli- 
tisches Vorgehen lebhaft mißbilligte. Doch Chlodwigs kamen nach wie 
vor. Sie wollten sich naiv ihren Anteil an dem gewohnten festlichen 
Treiben nicht schmälern lassen, und er tat, als merke er nicht die kühle 
Steifheit, mit der man ihm begegnete, lächelte höchstens, wenn einer gar 
zu plump sich seiner Begrüßung entzog. Seine würdige verschlossene 
Haltung hielt jeden direkten Angriff ab, so daß jede peinliche Erörterung 
unterbleiben mußte. Unser Kaiser war ihm stets freundlich gesinnt, was 
in den letzten Jahren der Elsässer Statthalterschaft und des Reichskanzler- 
tums sich bis zur Herzlichkeit steigerte. Der Kaiser bedauerte, das Goldene 
Vlies nicht dreien Brüdern Hohenlohe gleichzeitig verleihen zu können. 
Außer meinem Manne hatte auch der älteste Bruder Ratibor das Vlies 
erhalten, weil er sich stets tatkräftig österreichischer Interessen in Berlin 
annahm. Gleich nach dem Tode des Herzogs von Ratibor wurde Chlod- 
wig durch das Goldene Vlies, diesen exklusiosten aller Orden, ausgezeichnet. 
Wir hatten viele gemütliche Begegnungen im einsamen Wildalpen, wo 
mein Mann eine der schönsten Gemsjagden unfrer Monarchie gepachtet 
hatte. Meine Schwägerin flammte auf in leidenschaftlicher Erregung für
	        
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