Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

154 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
Mir dünkt, eine günstigere Gelegenheit, ohne Revolution zu einer 
Bundesreform zu kommen, als heute dürfte so bald nicht wiederkehren, 
und würde ich noch heute eine in dieser Richtung tätige, allenfalls auch, 
im Falle steigender Verwicklung, Zusammenberufung des Landtags be- 
zielende Vereinigung großdeutscher Liberalen für praktisch halten. 
Möglich jedoch, daß Sie recht haben, daß auch hiezu die Zeit noch 
nicht gekommen. 
Ich habe übrigens Pfordten im Verdacht, in aller Stille nebenbei 
Rheinbundpolitik zu treiben; wie dann? 
Dies die Bemerkungen, auf die ich vorhatte die Aufmerksamkeit Eurer 
Durchlaucht zu lenken. 
Ich einstweilen werde den Rat der Vorsicht nicht vergessen, für welchen 
ich den aufrichtigsten Dank wiederhole, und verharre 
Eurer Durchlaucht 
ergebenster Diener 
gez. Karl. 
Journal.!)) 
München, 11. April 1866. 
Heute Diner beim König. Nach der Tafel im Wintergarten fing der 
König an, mit mir von Politik zu sprechen, und äußerte sich besorgt wegen 
der von Preußen aufgestellten Parlamentsidee. Ich sagte, die Parlaments- 
idee werde immer wieder auftauchen, jetzt sei der Moment für Bayern 
günstiger als zu irgendeiner andern Zeit. Die demokratische Partei werde 
nicht unbedingt mit Bismarck gehen, während dies bei einem liberalen 
preußischen Ministerium der Fall sein würde. Preußen erstrebe jetzt nur 
die Suprematie in Norddeutschland. Hier unterbrach mich der König und 
sagte: „Jetzt, aber später werden sie auch noch mehr verlangen.“ Ich 
bezweifelte dies und fügte bei, daß ich glaube, Bayern werde sich jetzt mit 
Preußen verständigen können, und Preußen werde nichts dagegen haben, 
wenn wir uns eine ansehnlichere Stellung in Süddeutschland bilden wollten. 
Darauf sprach er dann von dem Einfluß, den Bismarck auf den König 
habe und der unbeschränkt sei. Die Königin und der Kronprinz seien 
gegen Bismarck. Nach mir sprach der König mit Maurer, 2) der auch 
in meinem Sinne sprechen wollte, und mir nachher sagte, er habe den 
König besonders ermahnt, sich jetzt nicht zu fürchten und die Gelegenheit 
zu benützen. 
  
1) Hier beginnen die regelmäßig fortlaufenden Aufzeichnungen des Fürsten, 
die er sein „Journal“ nannte. 
2) Staatsrat von Maurer (1790 bis 1872), Mitglied der Kammer der Reichsräte.
	        
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