Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

156 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
Berg gefahren und hätten ihm la lecon gemacht. Der Schlußsatz der 
Adresse der Reichsräte ist auch eine gute Lehre: 
„Wo die Hingebung eines Monarchen an seine in der Gegenwart 
doppelt schweren Regentenpflichten vom Vertrauen zu seinem Volke ge- 
tragen ist und hinwiederum das Vertrauen des Volks sich durch jene 
Hingebung gestärkt und gehoben fühlt, da kann Fürst und Volk mit Zu- 
versicht selbst in eine dunkle Zukunft blicken. Einigt uns ein solches Band 
wechselseitigen Vertrauens, dann dürfen wir mit Eurer Majestät hoffen, 
daß, wenn es trotz aufrichtiger Bemühung um Frieden zum Waffenkampfe 
für das Recht kommen sollte, die Tapferkeit unsers Heeres und des Volkes 
treue Vaterlandsliebe mit Gott den Sieg erlangen werde.“ 
München, 1. Juni 1866. 
Prinz Reußt) fürchtet, daß die antipreußischen Demonstrationen in 
der bayerischen Kammer das Resultat haben werden, schließlich die preußische 
Bevölkerung gegen die süddeutschen Staaten aufzubringen und dadurch 
den Krieg zu befördern. Er behauptet, Preußen werde immer mehr und 
mehr in die Defensive gedrängt. Oesterreich werde durch die künstliche 
Steigerung des Kriegsenthusiasmus zum Krieg genötigt werden. Das 
Projekt der Bundesreform, welches er mir mitteilte, bezieht sich auf wenige 
Punkte, läßt die Zentralgewalt ganz aus dem Spiel und wird niemand 
befriedigen. Ich sagte ihm dies heute und machte ihn aufmerksam, daß 
Bismarck durch eine Parlamentsberufung ohne gleichzeitige Organisierung 
einer Zentralgewalt nur die Revolution befördere. Vielleicht ist dies seine 
Absicht. Meiner Ansicht nach wäre eine Versammlung von Ministern mit 
gleichzeitiger Zuziehung von Vertrauensmännern aus den Kammern, die 
dann zusammen ein Projekt einer Bundesverfassung zu beraten und ein 
Wahlgesetz zu beschließen hätten, der einzig praktische Weg zum Ziele. 
München, 3. Juni 1866. 
Gestern Abend war wieder Bierkrawall im Sterngarten. Die Land- 
wehr schoß auf die Tumultuanten, wobei ein Mensch getötet und zwei 
verwundet wurden. Ich hörte das Schießen, dachte aber, es sei Feuerwerk 
in einem der Biergärten. Daß dieser Unfug durch bezahlte Leute veranlaßt 
wird, unterliegt gar keinem Zweifel. Heute Nachmittag soll beim Löwen- 
bräu der Lärm wieder beginnen. Wer es anstiftet, ist nicht klar. Die 
Liberalen sagen, es seien die Ultramontanen, die Revolution machen wollten, 
um den jungen König zu vertreiben; die andern sagen, es seien Bismarcksche 
Agenten, die den Spektakel veranlaßten, um Bayern zu nötigen, einen 
Teil seiner Truppen von der Grenze ab und nach dem Innern zu ziehen. 
  
1) Preußischer Gesandter in München.
	        
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