Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 163 
bringen solle. Ich habe indessen doch wieder vernünftige Leute gehört, 
die solche Fluchtversuche für einfältig halten. 
München, 26. Juni 1866. 
Gestern Abend von Baden zurückkehrend, erfuhr ich, daß der Herzog 
von Augustenburg hier sei. Ich ging heute Nachmittag zu ihm. Er lud 
mich ein, bei ihm zu essen, wo ich Samwer, einen Dr. Lorenzen und einen 
Major Schmidt fand. Nach Tisch fuhren wir beide zu Schack und dann 
in den Englischen Garten. Er erzählte mir seine ganze politische Lebens- 
geschichte seit 1863. Er ist merkwürdig ruhig und vertrauensvoll und 
zweifelt nicht an dem Gelingen seiner Sache. Neu war mir, daß der 
König von Preußen und Bismarck mit ihm vollkommen einverstanden waren, 
bis zu der Reise Bismarcks nach Biarritz. 1) Nach dessen Rückkehr suchte 
Bismarck alle möglichen Ausflüchte und Umwege, und brachte dann die 
ganze Sache so weit, wie sie jetzt ist. Er, der Herzog, war zu allen mög- 
lichen Konzessionen bereit. Bismarck wollte aber die Annexion. Der Ver- 
trag mit Italien war schon vor der Gasteiner Konvention abgeschlossen,) 
und Bismarck hat den Krieg schon seit zwei Jahren vorbereitet und alle 
darauf bezüglichen Maßregeln getroffen. Damals scheiterte die Sache an 
dem Widerstand des Königs, der „nicht über den Graben wollte“. Deshalb 
allein schloß man die Gasteiner Konvention ab. Der Herzog sagt, die 
ganze Geschichte mit der deutschen Reform, mit dem Parlament u. s. w. sei 
lauter Schwindel. Bismarck wolle nur die Arrondierung Preußens, was 
er von Preußen aufgeben müsse nach dem Kricg, sei ihm ganz gleichgültig, 
wenn er nur mehr Quadratmeilen durch anderweitige Entschädigungen erhalte. 
Er will Hannover, Schleswig-Holstein und Hessen, vielleicht auch Sachsen. 
Der Herzog hofft, daß Oesterreich und die übrigen deutschen Staaten 
schließlich siegen würden. 
Vom Herzog von Koburg sagte er, es sei einer von den Leuten, die 
immer eine Rolle spielen wollten und es nicht abwarten könnten, bis 
wieder das Rad herumgegangen sei, wo sie an ihrer Stelle wieder ein- 
greifen könnten. Er selbst versteht das Warten. Das muß man ihm 
lassen. Er macht einen überaus guten Eindruck mit seiner Ruhe und seinem 
ehrlichen, guten Gewissen. Er wartet nun hier auf den König, weiß 
aber noch nicht, wo er sich nun hinwenden wird. 
Im übrigen ist es hier ruhig. München ist wie ausgestorben. Die 
Nachricht vom Siege der Oesterreicher in Italien 3) hat große Freude erregt. 
  
1) Gemeint ist wohl der Aufenthalt in Biarritz im Oktober 1864. 
2) Ueber die Verhandlungen mit Italien im Sommer 1865 siehe Sybel, „Begrün- 
dung des Deutschen Reichs“, Bd.4 S. 129 der Volksausgabe. 
3) Schlacht bei Custozza am 24. Juni.
	        
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