Aus den Jahren 1850 bis 1866 167
und Ulanen den Kopf verloren hatten und bei einem Kavalleriegefecht
davongeritten waren und von Fulda bis Würzburg atemlos kamen, ver-
lor ganz Unterfranken den Mut. Von der Unfähigkeit unfrer Militär-
verwaltung werden mir viele Beispiele erzählt. Der Präsident Zu Rhein
telegraphierte nach München, man möchte doch ja befehlen, daß Würzburg
nicht verteidigt werde, wenn die Preußen kämen! Unterdessen waren
die Preußen schon längst wieder über die bayrische Grenze zurück.
Das Gefecht der Bayern bei Diedorf und Roßdorf#) war sehr an-
ständig. General Zoller hat sich gut bewährt. Man hat sogar Gefangene
gemacht und keinen Gefangenen verloren. Hier wird fortwährend Un-
sinn geschwatzt. So erzählt man, der Kaiser von Oesterreich sei durch-
gekommen, um sich in das Hauptquartier des Prinzen Karl zu begeben
und von da nach Petersburg zu reisen! Dann soll er wieder nach Paris
oder nach Straßburg gehen u. dergl.
Ich fange an zu glauben, daß wir noch weit vom Frieden sind.
Wenn es wahr ist, daß Napoleon den Preußen zu schroffe Bedingungen
macht, zum Beispiel Wiedereinsetzung der vertriebenen deutschen Fürsten,
Abzug aus Böhmen während der Waffenruhe u. s. w. (ich sage „schroff“ im
Sinne der Preußen), dann wird der König von Preußen nicht darauf ein-
gehen, und dann rückt Napoleon in die Rheinprovinz. Dann haben wir
einen europäischen Krieg. Das wird sich nächstens entscheiden. Es spricht
vieles für diese Ansicht. Es ist wahrscheinlich, daß es Napoleon gelegen
sein würde, wenn Preußen die jetzigen Friedensbedingungen nicht annähme,
dann hätte er die beste Gelegenheit, die Rheinprovinz zu besetzen. In
diesem Fall würde es aber möglich sein, daß Deutschland sich gegen Frank-
reich wendete. Die Verwirrung der politischen Angelegenheiten in Deutsch-
land würde den höchsten Grad erreichen. Ich hoffe, daß ich mich täusche,
aber unmöglich wäre diese Wendung nicht. Vorderhand ist der Waffen-
stillstand wohl nicht zu bezweifeln. Was aber nachher kommt, ist unklar.
Daß es so schnell aus sein sollte wie im Jahre 59, ist mir unwahrschein-
lich. Nach neueren Nachrichten soll die Panik der Würzburger ohne
Grund gewesen sein, da gar keine versprengten Kavalleristen dort an-
gekommen seien. #
München, 13. Juli 1866.
Die letzten Tage hier waren Tage großer Aufregung über die
Gefechte in und bei Kissingen.:) Das Publikum machte seiner Aufregung
durch Schimpfen Luft, wie es unter gewöhnlichen Leuten zu geschehen
pflegt. Heute hatte ich Gelegenheit, mit einem Offizier zu Mittag zu essen
1) Gefecht bei Hünfeld am 4. Juli.
2) Am 10. Juli.