Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 169 
als zehn Jahre später. Sie ist aber heilsam, weil sie viele verrottete Zu- 
stände in Deutschland aufräumt und namentlich den Mittel= und Klein- 
staaten ihre Nichtigkeit und Erbärmlichkeit recht klar ad hominem demon- 
striert. Daß dies für die Dynastien ein Unglück ist, gebe ich zu, für die 
Völker ist es ein Glück. 
Der König hat Dürig nicht empfangen (obgleich er ihm auf Ver- 
anlassung Holnsteins !) ein Pferd geschenkt hat). Aber ein „oberster 
Kriegsherr“, der einen vom Schlachtfeld rückkehrenden Offizier nicht emp- 
fängt! Ist so etwas nicht zum Schimpfen? 
München, 13. August 1866. 
Bei meiner Ankunft in München am 12. Abends ging ich in den 
Klub, wo ich Gustav Castell und Tauffkirchen fand. Letzterer teilte mir 
mit, daß Bayern zu Gebietsabtretungen genötigt werden würde. Man 
spricht von der Abtretung eines Teils der Pfalz an Frankreich und eines 
Teils von Unterfranken an Darmstadt. Ob Bayreuth an den Herzog von 
Koburg abgetreten werden soll, ist noch unentschieden. Die Kriegskosten, 
die Bayern zu zahlen haben wird, sollen sich auf dreißig Millionen Gulden 
belaufen. 
Der Herzog von Augustenburg ist wieder hier, nachdem er seinen 
Bruder Christian in der Schweiz besucht hatte. 
Gestern Abend war ich in einer Volksversammlung. Ich hielt dort trotz 
einer Hitze von 25 0 und einer Stickluft von Menschenausdünstung und Bier- 
geruch bis 11 Uhr aus. Kolb sprach gegen den Anschluß an Preußen, Völk für 
denselben. Die Stimmung in der Versammlung war geteilt. Allgemein war 
nur der Beifall, wenn die Tapferkeit der Armee gelobt, wenn die Führung der- 
selben verdammt, und wenn auf von der Pfordten geschimpft wurde. Die Ver- 
sammlung war merkwürdig durch die Erregtheit, die sich in den Gesichtern 
der Zuhörer kundgab. Ich fand im Saal keinen Platz und brachte den Abend 
auf einem Gestell für Bierfässer in dem Büfett zu, von wo aus man 
sehen und hören konnte, ohne gesehen zu werden, was für mich besonders 
wichtig war. « 
In der großen Politik liegt jetzt alles an der Entscheidung des Königs 
von Preußen. Bismarck will dem Wunsch des Kaisers Napoleon nach- 
geben und ihm Saarbrücken, Luxemburg und einen Teil der bayrischen 
Pfalz geben, der König sträubt sich dagegen. Wenn der König nicht nach- 
gibt, so entsteht Krieg zwischen Preußen und Frankreich. Dann werden 
wir mit Oesterreich und Frankreich gegen Preußen gehen. Ob dieser Ent- 
schluß sehr deutschpatriotisch ist, will ich nicht entscheiden, ob er Beifall 
im Volk finden wird, bezweifle ich; doch scheint mir, es wird so kommen. 
  
1) Oberst-Stallmeister Graf von Holnstein.
	        
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