Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 183 
Entlassung nehmen würden, wenn ich ins Ministerium einträte. Am 
andern Morgen kam Tauffkirchen mit dem Brief des Appellationsgerichts- 
rats Lutz, in dem dieser Auftrag für mich enthalten war, und mit meiner 
Kritik des Pfordtenschen Rundschreibens zu mir, damit ich beide Aktenstücke 
bei meiner Unterredung mit Schlör zur Hand hätte. Ich fand Schlör auf 
dem Ministerium und gab ihm die Papiere mit dem nötigen Kommentar. 
Das Resultat der Besprechung war, daß wir in den Hauptpunkten 
einverstanden waren, doch hielt Schlör die Erstrebung eines Bundes- 
vertrags mit Preußen im Augenblick nicht für zweckmäßig und nötig. 
Ich versprach ihm nun ein Programm auszuarbeiten und ihm vorzu- 
legen. Dies Resultat beeilte ich mich sofort dem König durch Holn- 
stein mitzuteilen. Mein am Abend aufgesetztes Programm besprach ich 
am Sonntag mit Dönniges, gab es dann an Tauffkirchen, der es nicht 
entschieden genug fand und nun ein neues Programm verfaßte, das er 
mir Montag brachte und mit dem ich mich um so mehr einverstanden er- 
klären konnte, als ich in der Zwischenzeit von Reuß gehört hatte, daß 
man aus Rücksicht auf Frankreich wegen der bevorstehenden Beratungen 
des norddeutschen Parlaments auf Unterhandlungen mit Süddeutschland 
sich nicht einzulassen geneigt sei. Ich fragte Tauffkirchen am Schluß 
unsrer Beratung, ob er damit einverstanden sei, daß ich Schlör sage, 
daß er das Programm gemacht habe, und knüpfte daran die Frage, ob 
er zur Uebernahme des Ministeriums des Innern eventuell bereit sei. Er 
bejahte beides und fügte die Bitte bei, daß er auch vor dem Lande als 
der Verfasser des Programms genannt werde, wenn es soweit komme, 
was ich ihm auch zusagte, da ich das Motir, sich dadurch mehr Boden 
in der öffentlichen Meinung zu gewinnen, vollkommen anerkennen mußte. 
Am Abend desselben Tages gab ich Schlör das Programm. Er 
brachte es am andern Tage (Dienstag) und erklärte sich damit einverstanden. 
Tauffkirchen war anwesend. Es wurden einige Abänderungen beschlossen, 
und so schickte ich es an Holnstein. Da ich aber in der Zwischenzeit 
erfahren hatte, daß die Ernennung Tauffkirchens zum Minister auf große 
Mißbilligung im Lande stoßen würde, so faßte ich das Schreiben an 
Holnstein so ab, daß daraus hervorging, ich beabsichtige keine Abänderung 
des Ministeriums mit Ausnahme vielleicht des Justizministers, für dessen 
Ersatz ich Präsident Neumayr!) in Vorschlag brachte. Nun am 20. warte 
ich auf die Antwort des Königs. 
Das in den vorstehenden Aufzeichnungen erwähnte „Programm“ hat 
folgenden Wortlaut: 
  
1) Ludwig von Neumayr, Appellationsgerichtspräsident, Bruder des ehemaligen 
Ministers, bedeutender Jurist, Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis München.
	        
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