Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

192 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
nehmen (als Ministerialrat), da man seine Ernennung zum Ministerial- 
rat als ein Armutszeugnis für mich auffasse, da seine Tätigkeit bei meinem 
Programm bekannt geworden sei. Ich glaubte zwar die Gefahr, die mir 
aus dem Eintritt in das bestehende Ministerium erwachsen würde, nicht, 
da die Ansichten über das Ministerium im Lande sehr geteilt sind und die 
Agitation gegen dasselbe vor allem durch Tauffkirchen ins Werk gesetzt ist, 
eine Agitation, die ich nun schon den ganzen Sommer im Gang sehe und 
die schließlich zum Sturz des Ministers von der Pfordten geführt hat. In- 
dessen hielt ich die Sache doch zu wichtig, um nicht mit Lutz zu reden, und 
ging noch um 10 Uhr Abends zu ihm. Er sagte, von einem Schwanken 
in der Meinung des Königs bezüglich meiner sei keine Rede. Die Ver- 
zögerung in der Ausfertigung habe lediglich formelle Gründe; er habe 
noch mit den Ministern gesprochen und deren Beistimmung zu dem 
Programm erholt, nur Pfretzschner habe eine gemeinschaftliche Beratung 
haben wollen, dem sei er aber übers Maul gefahren, und nun sei alles 
in Ordnung. Morgen würde ich die Aufforderung erhalten, zum König 
zu kommen, träte ich jetzt zurück, so würde ich den König in die größte 
Verlegenheit setzen und mich dem Vorwurf oder dem Verdacht aussetzen, 
daß ich im letzten Augenblick vor dem Landtag zurückgeschreckt sei. Ich 
beeilte mich, ihm zu erwidern, daß ich nicht daran dächte, zurückzutreten, 
daß ich lediglich geglaubt hätte, entgegenkommen zu müssen, im Fall der 
König etwa verzöge, noch mit der definitiven Bildung des Ministeriums 
zu warten. Nun kamen wir überein, die ganze Sache beruhen zu lassen 
und er versprach mir, auch mit dem König nicht mehr darüber zu reden. 
Am darauffolgenden Tage, dem 31. Dezember, kam Ministerialrat Lutz 
um 12 ½ Uhr zu mir und sagte mir, der König wolle mich um 1 Uhr 
sehen. Ich hatte nur gerade Zeit, mich in Frack und weiße Krawatte zu 
„werfen", und da kein Wagen da war, mit einer Droschke in die Residenz 
zu fahren. 
Der Adjutant führte mich in die Zimmer des Königs, die eigentlichen 
Wohnzimmer. Hier fand ich den König im schwarzen Frack mit Stern. 
Er empfing mich sehr freundlich, dann setzte er sich auf das Kanapee und 
lud mich ein, mich auf einen Fauteuil zu setzen. Ich dankte ihm für das 
Vertrauen, das er in mich gesetzt habe. Er sagte dann, ich hätte nicht 
Ministerpräsident werden wollen. Ich erwiderte, daß ich dies deshalb 
abgelehnt hätte, weil diese Stelle hier nicht existiert habe, doch würde ich 
ihm für die Verleihung des Vorsitzes im Ministerrat sehr dankbar sein. 
Er sprach dann über die Minister, meinte, es wäre doch besser, wenn ich 
Ministerpräsident geworden wäre, „dann könnte ich die andern Minister 
besser in Ordnung halten"“, klagte über die Minister, sprach ungünstig über 
Pfretzschner, der schwankend sei, sehr günstig über Schlör, ziemlich gut
	        
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