Aus der Jugend (1819 bis 1847) 11
lassen. Ein wahrhaft herzlicher, freundschaftlicher Brief. Auf einen Ball,
der nächstens bei dem Großherzoge 1) sein wird in Mannheim, freue ich
mich. Ich habe nun einmal die Manie, großstädtisches Wesen dem klein-
städtischen vorzuziehen, wenn auch beides auf dieselben Resultate hinaus-
läuft. Die Soireen, die der Graf Rantzau bisweilen veranstaltet, haben
außer dem, daß man sich daselbst amüsiert, noch den Vorteil, daß sie an
die Stelle des ekelhaften Teeschlappertons und der médisances männlicher
und weiblicher Kaffeeschwestern eine vernünftige Konversation setzen und
so vor dem horreur aller horreurs, den Abgeschmacktheiten einer Tee-
gesellschaft, wahren. Freilich il faut savoir s'ennuyer avec gräce! bien!
mais je n'’ai pas le temps de m'ennuyer. Auf der andern Seite muß
ich freilich zugestehen, daß man sich nicht so unbedingt über langweilige
Gesellschaft erheben soll. Großenteils sind wir selbst schuld, wenn wir
uns langweilen. Es gibt in jeder Gesellschaft ein interessantes Element,
welches nur aufgefunden und zutage gefördert werden muß. Wer sich
langweilt, messe die Schuld sich selbst zu und packe die Sache so an, daß
sie ihn nicht langweile. So saß ich neulich bei einem Souper neben einer
jungen polnischen Gräfin. Sie gilt für sehr einsilbig und ist es auch
gewöhnlich. Mein guter Genius indessen führte mich auf einen Kon-
versationsbeginn, der das angenehme Resultat hatte, den wahrhaft
lebendigen Geist und das elegante Französisch meiner sonst so einsilbigen
Dame bewundern zu können. So ist jeder selbst schuld, wenn er sich
langweilt. Bei Leuten freilich, die keinen tiefen Geist und keine elegante
Sprache aufzuweisen haben, muß man sich begnügen, deren Charakter zu
sondieren, deren Dummheit zu vergleichen mit der unsrigen, was mich oft
zu angenehmen, oft zu traurigen Resultaten führt, man muß sich begnügen,
Psycholog zu sein, d. h. Geisteskräfte-Erforscher. Denn nur bei diesem
Prinzip kann man versichert sein, seinen eignen Charakter bei Hallunken,
sein bißchen Verstand bei Schafen und seinen fröhlichen Sinn bei Toten-
gräbern zu bewahren.
In einem Briefe vom 13. Februar 1840 erzählt der Prinz von
musikalischen Genüssen und schließt mit dem Satze: „Ohne Musik ist der
Mensch nur ein Halbmensch."“
In einem Berichte über uninteressante und leere Gesellschaften heißt
es: „So ist es mir schon vorgekommen, daß ich so gleichgültig neben einer
Dame stand, daß ich mich im stillen für das Repetitorium des nächsten
Tags überhörte.“ Verletzend ist dem Prinzen die Feindseligkeit der in
Heidelberg einheimischen Aufklärung gegen die „Pietisten“. „Die größten
Philosophen,“ schreibt er, „sind in ihren Forschungen auf die Grund-
1) Großherzog Leopold von Baden.