206 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
diese alte Institution während ihres langen Bestehens Gutes zu leisten
vermochte, da es keine Abhilfe gegen die Rivalität zweier Großmächte in
einem Bunde gibt, dürfte doch nun die Voraussetzung geschaffen sein, mit
welcher die wesentlichsten Bestandteile der alten Bundesverfassung sich
vereinen lassen. Diese Voraussetzung ist der Prager Friede, das Ende
des langjährigen und für Deutschland so schädlichen Dualismus.
Der Artikel IV des Prager Friedens stellt eine nationale Verbindung
der süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen Bunde in Aussicht. Oester-
reich erkennt diesen weiteren Bund in seiner Neugestaltung im voraus an.
Dies ist der zweite Punkt, den ich besonders behandeln wollte, d. h.
Nr. 8 Ihrer Vorschläge.
Sie halten es mit Bezug auf den sich mehr und mehr in München
fühlbar machenden Einfluß Oesterreichs für unerläßlich, zur Gewinnung
der Zustimmung Bayerns für den Abschluß eines Bundesvertrags mit
Preußen, wenn Oesterreich durch eine Allianz mit Deutschland dafür ent-
schädigt wird, daß es seinen Einfluß in Süddeutschland durch das Zu-
standekommen eines Bundes desselben mit dem Norden vermindert sieht.
Ich kann mir lebhaft denken, wie schwierig es für Sie sein muß, die
österreichischen Sympathien in gewissen maßgebenden Kreisen zu behandeln
und diesen gegenüber den neuen Standpunkt des Prager Friedens zu. ver-
treten. Auch erkenne ich gewiß sehr gern an, daß gewisse Vorurteile nur
bekämpft werden können, indem man ihnen möglichst schonend entgegen-
tritt. Ich bin daher gern bereit, auch diesen wichtigsten Punkt Ihrer Vor-
schläge weiter mit Ihnen zu erörtern, wenngleich ich mit einer solchen
Bedingung des Vertragsschlusses mit Preußen mich nicht befreunden
könnte. Ich möchte Ihnen aber in jeder Weise bestätigen, daß es mir
ernst darum zu tun ist, Sie, soweit ich kann und darf, in Ihrer schönen,
aber schweren Aufgabe zu unterstützen.
Meine Gründe gegen den Vorschlag einer solchen Allianz von ganz
Deutschland mit Oesterreich unter den angegebenen Voraussetzungen sind
mehrfacher Art.
Zunächst erscheint mir nötig zu wissen, ob Preußen geneigt ist, eine
solche Bedingung anzunehmen, damit nicht durch Ablehnung derselben die
gewünschte Verständigung verhindert werde. Ich kann nicht glauben, daß
Preußen geneigt sein wird, den Prager Frieden gerade in seinem wichtigsten
Punkte zu modifizieren und damit eine europäische Frage aufzuwerfen,
welche der genannte Friedensvertrag eben vermeiden will, indem er die
nationale Verbindung von Süd= und Norddeutschland als eine innere
Frage vom Auslande anerkennen läßt.
Eine Garantie des deutschen Gebiets Oesterreichs halte ich nicht für
ratsam, solange dieses Reich mit den unheilvollsten Entwicklungsleiden zu