Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 243
Wenn jedoch das Anerbieten von solchen Unterhandlungen von
Preußen erfolgte, so würde die Königliche Regierung eine Weigerung,
diesen Unterhandlungen beizutreten, im eignen Lande nicht zu vertreten
imstande sein. Doch gesetzt, es gelänge ihr, solche nationale Regungen
gewaltsam niederzudrücken, so würde ihr zweifellos die Macht fehlen, die
übrigen südwestdeutschen Staaten zu gleicher Passivität zu bestimmen. Würt-
temberg, Baden, Hessen werden mit dem Norddeutschen Bunde unter-
handeln. Bayern hat die Wahl, bei diesen Unterhandlungen eine einfluß-
reiche Stellung einzunehmen und Ueberschreitungen der durch die Verträge
gezogenen Grenzen möglichst zu hindern, oder sich jedes Einflusses auf
diese Neugestaltung zu begeben, ohne deshalb den möglicherweise aus den-
selben entstehenden Gefahren zu entgehen.
Die materiellen Interessen Bayerns und des übrigen Deutschlands
sind so mannigfach verknüpft, daß Bayern es auf eine Zerreißung dieser
Bande nur im Falle der äußersten Notwendigkeit und immer mit Gefahr
für die eigne staatliche Existenz ankommen lassen könnte. Die Königliche
Regierung demnach will und kann sich nicht von Unterhandlungen mit dem
Norddeutschen Bunde über die Rekonstituierung Deutschlands ausschließen.
Die Königliche Regierung, welche den Wunsch und das Streben einer
Wiederannäherung Oesterreichs an Deutschland deutlich genug manifestiert
hat, wird bei diesen Unterhandlungen bestrebt sein, alle nach ihren oben
dargelegten Ansichten dem Prager Frieden zuwiderlaufenden Stipulationen,
alle eine spätere friedliche Annäherung an Oesterreich hindernden Verträge
fernzuhalten. Ich glaube, daß die Kaiserliche Regierung das Gewicht
dieser Gründe, daß sie die Gefahr, welche in einem Ausschluß Bayerns aus
Deutschland für friedliche Regelung der deutschen Verhältnisse und ins-
besondere für Regelung der Beziehungen zu einem durch Ausbau seiner
Verfassung neu gekräftigten Oesterreich liegen würde, kaum wird verkennen
können. Ich hoffe demnach, daß die Kaiserliche Regierung sich zu der
Tätigkeit der bayrischen Regierung in dieser Frage wenn nicht beistimmend,
doch auch nicht hindernd verhalten und es unterlassen wird, der bayrischen
Regierung in Erreichung ihrer Ziele hindernd in den Weg zu treten.
Um übrigens jede Mißdeutung des in Artikel IV Ziffer 8 der Punktation
vortommenden Worts „Allianz“ zu beseitigen, sind die bayrische und die
württembergische Regierung über eine andre, das Wort vermeidende
Fassung dieser Stelle übereingekommen.
Der Königliche Gesandte erhält den Auftrag, dem Freiherrn von Beust
von dem Inhalt dieser Depesche in vertraulichster Weise und mit dem
ausdrücklichen Ersuchen Kenntnis zu geben, dieselbe als ausschließend für
die Kaiserliche Regierung bestimmt und zu weiterer Mitteilung nicht ge-
eignet erachten zu wollen.