Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 277 
Fünfzig Jahre hätte man ruhig im Lande gelebt, und es sei weder seinem 
Vater noch seinem Bruder noch ihm selbst je eingefallen, sich an dem 
Besitz seiner Nachbarn zu vergreifen, bis die Ereignisse des Jahres 1866 
ihn dazu genötigt. Er habe Bayern gegenüber Mäßigung bewiesen. 
Am Abend des 28. verließen die bayrischen Vertreter Berlin und 
kamen am 29. Oktober Abends nach München zurück. Der Freiherr von 
Thüngen war durch diese Reise überzeugt worden, daß das gewünschte 
Veto für Bayern nicht zu erreichen sei. Am 30. Morgens machte der Fürst 
dem Ausschuß der Kammer der Abgeordneten Mitteilung über das Er- 
gebnis der Reise. Dieser Ausschuß beschloß darauf, der von den Reichs- 
räten beschlossenen Modifikation des Vertrags nicht beizutreten. Dieser 
Antrag wurde an demselben Nachmittag in einer Plenarsitzung der Kammer 
der Abgeordneten ohne Diskussion angenommen. Desgleichen ein Antrag 
des Ausschusses: die zuversichtliche Erwartung auszusprechen, die Staats- 
regierung werde dahin wirken, daß die Präsidialmacht Preußen das ihr 
nach § 12 des Vertrags eingeräumte Einspruchsrecht nicht in einer den 
wirtschaftlichen Interessen Bayerns nachteiligen Weise üben werde. Fürst 
Hohenlohe hatte zu diesem Antrage erklärt, die Staatsregierung habe gegen 
die Fassung des von dem Ausschusse vorgeschlagenen Wunsches um so 
weniger etwas einzuwenden, als preußischerseits erklärt worden sei, von 
dem Rechte zum Widerspruch gegen eine von Preußens Verbündeten 
gewünschte Abänderung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung oder Verwaltungs- 
vorschriften jedenfalls nur dann Gebrauch machen zu wollen, wenn durch 
solche Abänderung nach Preußens wohlerwogener Ueberzeugung das Gedeihen 
oder die Einnahmen des Zollvereins gefährdet würden. Am Abend des 
30. Oktober verhandelten die kombinierten Ausschüsse beider Kammern. 
Am 31. Oktober, dem letzten Tag vor Ablauf der vertragsmäßigen Rati- 
fikationsfrist, um 11 Uhr fand die Plenarversammlung der Kammer der 
Reichsräte statt. Vorher hatte der Ausschuß dieser Kammer mit 8 gegen 
1 Stimme die Zustimmung zu den Verträgen beschlossen. In der 
öffentlichen Sitzung sprach sich der Freiherr von Thüngen in demselben 
Sinne aus. Die Annahme erfolgte mit 35 gegen 13 Stimmen. An 
demselben Abend wurde die Ratifikation des Vertrags nach Berlin mit- 
geteilt. 
Unterredung mit Baron Beust, 6. November 1867.1) 
Baron Beust begann mit der Eröffnung dessen, was er in Paris und 
London erfahren, bemerkte, daß der Kaiser Napoleon die Idee eines Kon- 
  
1) Es war die erste Begegnung des Fürsten mit Beust. Siehe Graf Beust, Aus 
drei Vierteljahrhunderten, Bd. 11 S. 138.
	        
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