Aus der Jugend (1819 bis 1847) 19
gewonnen und bedauere seine zerrüttete Gesundheit. Schönlein, 1) der vor
kurzem hier war, hat ihm große Hoffnung gemacht, auch geht es wirklich
besser. Der Prinz Max ist ein gescheiter, gesprächiger Mann. Prinz
Karl hat den Papa und die Mama in Wien viel gesehen und erinnerte
sich mit großem Vergnügen an jene Zeit. Während der Tafel kam Prinz
Philipp Löwenstein, jeune homme fort élégant, wie immer, womöglich
rajeuni. Er konnte mir nicht oft genug sagen: „Aber du siehst sehr
gut aus!“
Wenn Du vorigen Sommer in Kiefernluft die Bemerkung machtest,
daß sie den Menschen schlechter mache, so ist hier gewiß die Bemerkung
angebracht, daß die Frühlingsluft am Rhein den Menschen verbessert.
Wenn ich mitunter am Abend auf der beliebtesten Promenade am Rhein
spaziere, so finde ich, daß die prosaischsten Philister eine Art poetischer
Verklärung haben, die etwas Rührendes hat. Es ist aber auch gar nicht
anders möglich, denn wenn einem vom Rhein her eine kühle Blütenluft
anweht, dann mag der trübste Gedanke mich niederdrücken, gleich bin ich
bis ins Innerste aufgefrischt und sehe mit noch größerem Genuß in die
vergoldeten Berge und nach den friedlichen Kirchtürmen der gegenüber-
liegenden Dörfer. Dann fängt auch die Abendglocke zu läuten an, so daß
nichts mehr fehlt, um die Seele in jene himmlische Stimmung zu versetzen,
die jeden irdischen Gedanken ausschließt, nur nicht den, Euch alle zu mir
her zu wünschen.
Seit mehreren Tagen ist dieser Brief liegen geblieben, da mich eine
Tour nach Frankfurt und die auf solche Dampfschiffreise folgende Oede
vom Schreiben abhielt. In Frankfurt saß ich mittags dem Herzog Paul
von Württemberg gegenüber. Sein Gespräch war unaufhörlich, besonders
da er in seinem Nachbarn Rüppell, einem der berühmtesten Reisenden
unfrer Zeit, :2) eine sehr gute Dachrinne für das Regenwasser seiner
Erzählungen hatte. Ich mußte mir alle Mühe geben, nicht zu lachen
über diesen netten Kerl.
Das Dampfschiff war höchst langweilig wie immer. Dazu war ich
mit einem jungen sächsischen Offizier bekannt geworden, der sich ganz nach
den Regeln der Komplimentierbücher „vollendeter Gesellschafter“ und wie
sie heißen, benahm und dadurch höchst langweilig wurde. Nun sitze ich
hier wieder an meinem Schreibtisch, studiere meine Akten und freue mich
meines Daseins bei einer Havannazigarre (das Tausend zu 50 Talern, dies
für Viktor zur Nachricht) und einer Tasse Kaffee.
1) Der berühmte Berliner Pathologe.
2) Eduard Rüppell (1794 bis 1884), Naturforscher und Reisender in Aegypten,
Nubien und Arabien.